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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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das?“, wiederholte sie, nun bang.
    „Telekinese ist nur ein Phänomen, das die Menschen nicht begreifen. Was sie nicht begreifen, lehnen sie ab, denn es macht ihnen Angst, wenn sie nicht die Kontrolle über alles haben. Haben sie sich nicht immer vor dem Unerforschten gefürchtet? Haben sie nicht Menschen verfolgt, verbrannt oder hingerichtet, von denen sie vermuteten, ihr Wissen übersteige das eigene? Und ehe man Opfer der eigenen Dummheit wird und vor den Augen aller als Unwissender dasteht, erstickt man den Funken des Neuen besser sofort im Keim, ehe daraus eine Flamme entfacht wird, über die man nicht mehr Herr wird.“
    Der Bann um Daphnes Körper löste sich in dem Augenblick, in dem er sich von ihr abwandte. Sie betrachtete sein Profil und musste sich eingestehen, dass sie sich geirrt hatte. Er war nicht hungrig. Er war zornig.
    Zögerlich stemmte sie sich vom Sofa und ging einige Schritte auf ihn zu, bis sie nur noch eine Armlänge von ihm trennte. Seine Anwesenheit zerriss ihr das Herz, aber die Empathin in ihr fühlte mit ihm, wollte ihm seine Trauer abnehmen.
    „Es tut mir leid, Reagan“, sprach sie leise, behutsam. „Du musst viel von der Grausamkeit meiner Rasse gesehen und erlebt haben. Ich weiß, ich kann das Unrecht, das sie all die Jahrtausende angerichtet haben, nicht ungeschehen machen. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich euch helfen werde. Wenn es irgendwie in meiner Macht steht, werde ich euch helfen.“
    Eine neue Entschlossenheit durchflutete sie. Sie konnte den Strom der Gefühle spüren, die er über die himmelschreiende Ungerechtigkeit stets in seinem Inneren trug. Weil er es ihr erlaubte. Und wie das letzte Mal trübte keine Lüge diese Gefühle.
    Als der Vampir zum Sprechen ansetzte, war seine Stimme eine Oktave nach unten gerutscht.
    „Ich danke dir für deinen Großmut, Daphne. Nachdem ich mich so mies verhalten habe, habe ich das überhaupt nicht verdient. Ich fühle mich dennoch nicht wohl bei dem Gedanken, deine Sicherheit zu gefährden. Aber Ria hat Recht. Ich muss dir eine Wahl lassen.“
    Sie lächelte und verbarg tapfer den Schmerz, der immer noch in ihren Eingeweiden wühlte. Natürlich. Sie war eine Liyanerin und damit wertvoll für die Gemeinschaft, auch wenn sie nicht wusste, wie ihre nutzlose Fähigkeit ihnen helfen sollte.
    Aber er konnte vermutlich jede Hilfe gebrauchen, die er kriegen konnte, und wenn sie noch so gering war.
    Dabei ging es nicht um sie. Nicht um ihn. Nicht um sie beide.
    Dabei ging es nur um die Gemeinschaft. Um ihr Überleben.
    Alles andere blieb leer und finster. Ihr Herz war verstummt.
    Reagans Stimme drang durch ihre Traurigkeit und erreichte ihren Verstand.
    „Komm, wenn du dich entschieden hast, uns zu unterstützen. Du und deine Tochter, ihr seid in meinem Haus willkommen.“
    Sie nickte.
    „Ich denke darüber nach“, versprach sie und drehte den Kopf weg. Mehr konnte sie sich heute nicht zumuten. Es schien, als wolle er noch etwas sagen, doch dann wich er wortlos zum Fenster zurück.
    „Die Hautür quietscht“, brummte er und verschwand.
    Sie blieb lange stehen, lange genug, bis sie sich sicher war, dass er gegangen war.
    Dann trat sie ans offene Fenster und hob den Kopf um blinzelnd in den Nachthimmel zu schauen.
    Niemand brachte Licht in ihre Tage, die so dunkel waren. Nur noch Dunkelheit, ringsum.
    „Ich hab eine Vermisstenanzeige gefunden.“
    Der Drucker surrte leise, als er das Dokument ausspuckte.
    „Thomas Griffiths-Bowler und Brooke Morgan. Er 22, sie 19. Laut Personalausweis versteht sich. Beide wohnen in L.A., im Haus von Brookes Eltern. Ihre Mutter hat die beiden heute Morgen als vermisst gemeldet, nachdem sie von einer Party nicht wieder nach Hause gekommen sind. Sie gibt an, dass ihre Tochter und deren Freund nicht lange wegbleiben wollten, da sie am nächsten Morgen auf eine Hochzeit eingeladen waren und geplant hatten, in aller Frühe aufzubrechen.“
    „Meinst du, die beiden sind die, die wir suchen?“ Dwight lehnte sich über den Tisch und zog das Blatt Papier aus dem Drucker. Stirnrunzelnd betrachtete er das beigefügte Bild.
    „Ich weiß nicht. Ich frage mich, ob es sich bei den beiden wirklich um die Vampire handelt, die wir suchen.“
    Damir fuhr sich über seine kurzen Haare und verzog das Gesicht.
    Dwight lächelte freudlos.
    „Ruf doch die Mutter an und frag nach“, schlug er vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Er bemerkte das schwarze Feuer, das in Dwights Augen loderte, und seufzte

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