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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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sich mit schweren, schleppenden Schritten, machte keine Anstalten, seine Anwesenheit zu entschuldigen.
    Er kam, wann er kommen wollte. Und wenn er da war, dann blieb er solange er wollte.
    „Was willst du hier?“, erkundigte sie sich ablehnend, drückte sich in die Kissen, um von ihm fernzubleiben. Sie konnte es nicht ertragen, ihn in ihrer Nähe zu haben, nachdem er sie so brutal abgewiesen hatte. Obwohl sie es ebenso wenig ertragen konnte, ihn nicht in ihrer Nähe zu haben.
    „Ich wollte mich davon überzeugen, dass es dir gut geht“, antwortete er, und in seinen Worten klang eine Heiserkeit mit, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
    „Gut“, erwiderte sie mühevoll. „Du wolltest dich davon überzeugen, dass es mir gut geht? Wie gnädig von dir. Mir geht es ausgezeichnet. Du kannst auf der Stelle umdrehen und aus dem Fenster nach draußen hüpfen. Oder du nimmst zur Feier des Tages einmal die Haustür, wie zivilisierte Leute es tun, die die Privatsphäre anderer respektieren.“
    „Daphne. Es tut mir leid, dass ich so grob zu dir war. Ich wollte nur dein Bestes.“
    Als er noch näher rückte, hob sie abwehrend die Hände.
    „Bleib weg von mir, Vampir. Ich hatte geglaubt, du seist anders als all die anderen blinden Idioten, die auf dieser Erde herumrennen. Aber dir sind die Gefühle anderer Menschen auch egal.“
    Reagan schwieg einen Moment. Sie wusste nicht, ob er angesichts ihrer harten Worte betroffen war. Seine Miene gab keine Regung preis.
    Schließlich nickte er langsam.
    „In der Regel sind sie das, Daphne. Du bist ein Mensch. Normalerweise verkehren wir nicht mit Menschen, denn sie haben uns viel Leid angetan. Wir haben uns geschworen, unseren Groll nicht gegen normale Menschenzu richten, sondern nur gegen diejenigen, die sich zu unseren Richtern und euren angeblichen Beschützern aufschwingen. Doch es wird immer schwerer, nicht alle in eine Schublade zu stecken. Deswegen ist es besser, wenn wir keinen Kontakt zu euch pflegen, denn wir haben gelernt, dass wir euch nur misstrauen können. Aber bei dir ist es nicht so. Das ist mir in den letzten Tagen bewusst geworden. Es hat mir das Herz gebrochen, dich gehen zu lassen. Aber es ist sicherer für dich, nicht direkt bei uns zu sein, wo die Gefahr so allgegenwärtig ist.“
    Daphne lachte bitter.
    „Viele Menschen behaupten, ihr Herz sei gebrochen, Reagan. In einem schwachen Moment, wenn man alleine ist, wenn man am Fenster sitzt und in den tristen Regen starrt, ist das leicht daher gesagt. Aber die meisten kommen schnell über dieses Gefühl hinweg. Doch was ist mit den Menschen, die das nicht können? Die nicht so schnell loslassen? Die sich morgens aus dem Bett quälen, nur um den Tag irgendwie zu überstehen? Was ist mit denen, deren Herz nicht nur gebrochen ist, sondern aufgehört hat zu schlagen? Wenn es kein Heilmittel gegen diese Leere gibt?“
    Daphne brach ab und schloss ihre Augen.
    Der bohrende Schmerz, der ihre Brust bei jedem Atemzug zerriss, tobte wild in ihr. Sie konnte es ihm nicht erklären, denn keine Worte konnten die Bodenlosigkeit dieser Qual auch nur annähernd beschreiben.
    Reagan schwieg.
    „Nein, das kannst du nicht verstehen. Natürlich nicht. Wie auch“, schloss Daphne und zog sich müde die Decke über das Gesicht, sperrte seine so unbeweglichen, bildschönen Gesichtszüge aus.
    Sie war es müde zu kämpfen.
    Er sollte gehen und sie alleine lassen, so wie er es am besten konnte. Alle hatten sie im Stich gelassen, wenn sie sie am dringendsten gebraucht hatte.
    „Sieh mich an!“
    Sein gewohnter Befehlston drang durch den Stoff hindurch.
    Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten und rührte sich nicht. Bis ihre Finger sich plötzlich wie von Zauberhand entspannten und die Decke mit einem leisen Rascheln über ihre Beine hinab auf den Teppichboden glitt. Sie wollte danach greifen, sie auffangen, aber sie konnte sich keinenMillimeter bewegen. Es war, als wäre ihr Körper zu Eis erstarrt. Selbst das Atmen wurde mit einem Mal schwierig und bereitete ihr Anstrengung.
    „Was machst du da?“, presste sie entsetzt hervor.
    „Ich möchte gewährleisten, dass du mir deine volle Aufmerksamkeit schenkst und zuhörst, wenn ich mit dir rede.“
    Ohne dass er sich vom Fleck bewegte, erlosch das Licht der Zimmerlampe.
    „Was …? Warst du das?“
    Ein Unheil verkündendes Lächeln entblößte die Fänge des Vampirs. Irrte sie sich oder lag da ein Ausdruck ungezügelten Hungers auf seinem Gesicht?
    „Warst du

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