Schattenwende
hoch gerissen und das letzte, was ich spürte, war zersplitterndes Glas und kalte Erde unter mir. Ich bin erst viele Stunden später erwacht. Jeder Teil meines Körpers war versengt und schmerzte und brannte höllisch. Aber ich lebte. Die Wucht der Explosion hatte mich aus dem brennenden Gebäude geschleudert und die Trümmer, die auf mich gefallen waren, haben mich vor den tödlichen Strahlen der Sonne gerettet. Wohl oder übel musste ich warten, bis eswieder Nacht war, ehe ich aus meinem Versteck krabbeln konnte. Ich nahm an, dass die anderen tot seien, denn ich hatte sie alle fallen gesehen. Ich schleppte mich zu Freunden, von denen ich hoffte, ihnen vertrauen zu können, und verbrachte dort viele, viele Wochen, in denen sie mich gesund pflegten. Aber in mir war alles leer. Ich hatte nicht nur meine Freunde verloren, ich hatte damit auch meine Familie verloren, mein Zuhause. Das Leben, das ich gewählt hatte. Eine Zeit lang spielte ich mit dem Gedanken, ihnen zu folgen, bis ich begriff, dass vielleicht ein Sinn darin lag, dass der Tod mich verschont hatte. Also machte ich mich auf die Suche nach euch, um im Kampf gegen diese Hurensöhne meinen Seelenfrieden wiederzufinden.“
Er brach ab und legte sich einen Arm quer über die Augen.
Beide, sowohl Damir als auch Dwight, verstanden, dass er seine Schwäche nicht vor ihnen zeigen wollte, und sie warteten respektvoll, bis er sich gefangen hatte.
„Ich glaube, ich habe das bekommen, was ich wollte. In mir ist wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt.“
Für einen winzigen Augenblick, für den Sekundenbruchteil, den Dwight benötigte, um den Kopf wegzudrehen, sah Damir in seinen sonst so eisigen Augen etwas aufblitzen, das ihn traurig stimmte. Es war Neid und Verbitterung.
„Bis vor einigen Wochen ein Anruf kam, der alles veränderte. Wenn ich Darraghs Stimme nicht bis in alle Einzelheiten kennen würde, hätte ich denjenigen, der sich diesen Scherz erlaubte, dafür getötet. Aber es war wirklich Darragh. Er berichtete mir, dass er und Phyrrus von der zweiten Explosion ebenso wie ich nach draußen geschleudert worden waren und im Wald neben unserem Quartier Schutz gefunden hatten. Mit allerletzter Kraft hat er seine Gefährtin gerufen, die Hilfe geholt hatte. Sie waren so stark verletzt, dass es Jahre gedauert hat, bis sie auch nur daran denken konnte, ihr Training wieder aufzunehmen, um ihre alte Kraft zurückzuerlangen. Es war eine harte Zeit mit vielen Rückschlägen und beide haben den vollen Grad ihrer einstigen Macht noch nicht erreicht. Aber sie haben ein neues Quartier bezogen und die Londoner Vampire wissen von ihrer Rückkehr. Ich war für zwei Tage dort und eine neue Welle der Euphorie hat die Stadt erfasst. Es ist unglaublich. Es scheint wiederHoffnung für die Europäer zu geben, nachdem so viel Mysteriöses dort geschehen ist. Brooke und Thomas sind nicht die einzigen, die verschwunden sind.“
„Nicht die einzigen?“ Damir hob alarmiert den Kopf.
„Nein. Es verschwinden ständig Vampire. Meistens alleinstehende, Kinder oder Frauen. Jedenfalls war es am Anfang so. Jetzt verschwinden Vampire jeden Alters, jeden Geschlechts. Wahllos. Was daran so irritierend ist, ist die Tatsache, dass alle nach ein bis zwei Tagen wieder auftauchen. Niemand von ihnen erinnert sich daran, wo er war oder was er gemacht hat. Oder sie behaupten, sie hätten bei Freunden übernachtet. Es sind immer die gleichen Antworten, die man hört. Ich hoffe, dass Rias Vision helfen kann, dieses rätselhafte Massenverschwinden aufzuklären.“
Damir war zu geschockt, um etwas zu erwidern. Warum nur hatten die Vampire vom anderen Kontinent sich nicht an sie gewandt?
Cayden musste die Frage, die sich sein Bruder unweigerlich stellte, an dessen Miene abgelesen haben, denn er nickte grimmig.
„Sie wollten es. Aber niemand konnte Verbindung zu euch aufnehmen. Ihr seid hier in den Staaten weitgehend unbekannt und niemand weiß, wie man euch erreichen kann. In Europa ist das noch viel schlimmer. Niemand kennt euch. Sie wissen nicht mal, in welchem Staat ihr lebt. Deswegen hat Darragh mich ausfindig gemacht. Er kennt mich besser als jeder andere und er weiß, wie er mich finden kann. Damir, sie brauchen da drüben unsere Hilfe. Und zwar sobald wie möglich. Die Solems sind nicht mehr hier. Sie sind abgehauen und verbreiten nun dort Angst und Schrecken. Ich weiß nicht, was sie aushecken, aber es wird nichts Gutes sein. Darragh hat mir mitgeteilt, dass sich nur noch eine einzige ihrer
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