Schattenwende
können es aber noch nicht nachweisen.“
„Ihre Genesis ist also ungeklärt?“
„Richtig. Wir haben zu meinem großen Ärger überhaupt keine Anhaltspunkte, was ihren Ursprung angeht. Hätten wir diese, wäre es auch ein Leichtes, die in der DNA gespeicherten Informationen zu entschlüsseln und zu nutzen. So gestaltet sich das Unterfangen als äußerst aufwendig.“
„Haben die anderen Forscher schon Erkenntnisse erlangt, die mir bei meiner Arbeit weiterhelfen könnten?“
Nun war seine berufliche Neugierde geweckt. Doch plötzlich verfinsterte sich Jones Miene.
„Nein. Sie haben einige Fehlschläge erlitten. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen und ich verbiete Ihnen, sich mit diesen Stationen in Verbindung zu setzen. Ich schätze die Arbeitsmoral dieser Kreise nicht und möchte nicht, dass meine Mitarbeiter sich in die unsauberen Methoden von Europa einmischen. Bei aller Dringlichkeit müssen dennoch einige Regeln eingehalten werden, selbst wenn unsere europäischen Kollegen das anders sehen“, erklärte er barsch.
„Natürlich, Mr. Jones“, versicherte Smith hastig, wobei er sich fast überschlug bei dem Versuch, eine unterwürfige Miene aufzusetzen. „Niemals würde ich mich über Ihre Wünsche hinwegsetzen. Aber was tun sie in Europa so Schlimmes, dass Sie es derart verachten?“
Smith hielt unbewusst den Atem an, denn er wusste, wie weit er sich mit dieser Frage aus dem Fenster lehnte. Aber er musste wissen, was dort geschah.
Jones sagte solange nichts, dass er schon glaubte, sein Chef würde sich einfach umdrehen und gehen. Bis er schließlich seufzte.
„Das ist schwer zu erklären, mein Freund, und ich weiß nicht, ob Sie schon imstande sind, die Ausmaße des Problems zu erkennen. Ich habe selbst erst kürzlich davon Kenntnis erlangt und es gefällt mir ganz und gar nicht, was hier im Gange ist. Sehen Sie: Das Bündnis der drei Stationen in Europa und das unsrige nennt sich Genus Solem . Es wurde schon vor vielen Jahrhunderten gegründet, als die Menschheit Kenntnis von der Existenz fremder, unnatürlicher Wesen erlangte, umgangssprachlich Vampire genannt. Die damaligen Mitglieder dieser Organisationen hattensich voll und ganz dem Kampf gegen dieses Böse verschrieben. Es widerspricht dem Lauf der Natur, dass es solche Kreaturen gibt. Sie dürften gar nicht da sein. Sie trinken Blut von uns und schwächen die Menschheit. Sie töten hinter unserem Rücken, da bin ich mir ganz sicher.“
Seine Augen funkelten für einen Moment hasserfüllt auf.
„Ich stimme dem Vorsitzenden der Organisation aus tiefstem Herzen zu, wenn er sagt, wir müssen diese abscheuliche Rasse ein für alle Mal auslöschen.“
Er zögerte kurz, senkte die Stimme, damit ihn die übrigen Mitarbeiter im Labor nicht hören konnten.
„Alle vier Stationen haben den Auftrag erhalten, Vampire einzufangen und ihnen Blut zu entnehmen, um sie zu studieren – mit den Möglichkeiten, die wir nun, nach Jahrhunderten des Wartens, endlich haben. Wir sollten ein Gegenmittel finden, eine Giftmischung, die sofort und viel effizienter wirkt als alle Waffen, die wir bisher entwickelt haben. Ein tödlicher Rundumschlag sollte folgen. Doch vor einigen Wochen habe ich meinen treusten Mitarbeiter, Lex, der mittlerweile leider tot ist, nach England geschickt, um dort mit dem Leiter der britischen Station einige Dinge zu klären und sich nach dem aktuellen Stand der Forschung zu erkundigen. Ich war schockiert, als er mit glänzenden Augen zurückkehrte und mir von der bahnbrechenden Idee berichtete, die die Engländer hatten. Sie wollen kein Gegenmittel erfinden, Mr. Smith. Sie wollen Vampire klonen und sie unter ihre Herrschaft stellen. Ohne eigenen Willen, ohne ein Bewusstsein. Sie wollen eine Armee aufstellen, denen es weder an Kraft noch an Stärke fehlt.“
„Was?“, entfuhr es Smith entsetzt. „Aber Klonen widerspricht jeglichen moralischen Wertvorstellungen!“
„Ich weiß, ich weiß. Doch es ist nicht das Klonen an sich, das mich abschreckt. Es gäbe kein Mittel, das ich nicht im Kampf gegen diese dreckigen Blutsauger einsetzen würde, Mr. Smith. Aber sehen Sie das Paradoxe dieser Methode? Wenn wir sie mit ihren eigenen Waffen schlagen, dann sind wir keinen Deut besser als sie. Das beunruhigt mich. Ich habe versucht, mit dem Vorsitzenden darüber zu sprechen, doch er ist der Auffassung, der Zweck heilige die Mittel. Vielleicht hat er sogar Recht. Ich hoffe nur, dass dieses Experiment plangenau durchgeführt wird. Ich will
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