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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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wirbelte über den Boden. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckte ich das Glas, das er vor zwei Stunden aus dem Labor mitgenommen hatte. Es war viel dunkler als vorher, denn darin bewegte sich schwarzer Rauch. Als ich hinging und esaufhob, war es ganz warm. Und die Berührung – obwohl ich nur das Glas umfasste – war so sanft, als hätte ich ein Baby in den Armen.
    »Du musst fliehen!«, raunte Cyriel hinter mir. »Nimm deinen Schatten mit und folge mir!«
    Ich schüttelte heftig den Kopf und starrte auf das dunkle Etwas. Das war ein Teil von mir?
    »Kannst du es wieder mit mir verbinden?«, fragte ich fast ohne Stimme.
    Sein Schweigen tat weh, obwohl ich es erwartet hatte. Er suchte nach Worten, die ich ihm ersparen wollte.
    »Okay. Könnte Nachtmann es?«
    Cyriel war ganz nah. »Was willst du dem Teufel für deine Seele geben?« Er lachte rau auf. »Vergiss es und komm mit! Dieser Gang sieht aus wie eine Sackgasse, aber irgendwo in der Nähe befindet sich angeblich ein direkter Ausgang. Ich habe ihn nie gebraucht … aber gemeinsam werden wir ihn finden.«
    »Ich brauche ihn auch jetzt nicht!«, antwortete ich heftig. »Komm mit mir! Wir reden über Pläne. Diesmal höre ich dir zu. Und du mir!«
    Was sollte ich nur tun? Jetzt, da ich endlich erkannt hatte, wer Cyriel wirklich war, verlor er den Mut. Es gab so vieles zwischen uns, was wir klären mussten.
    »Geh, solange du noch kannst!«, sagte er eindringlich. Plötzlich wirbelte wütendes Schwarz um mich herum.
    »Lass das!«, fuhr ich ihn an. Angst vor ihm hatte ich nicht mehr. Eher Angst um ihn. »Hast du dir eigentlich mal überlegt, was ich da draußen soll? Abgesehen davon, dass niemand auf mich wartet … Glaubst du, ich fliehe mit meinem halben Leben? Und wenn es noch so gutkonserviert ist in einem Marmeladenglas! Wie viel Zeit bleibt mir ohne meinen Schatten?«
    »Nicht mehr Zeit als hier. Aber es wäre ein Leben in Freiheit, im Tageslicht. Ohne Mauern.«
    »Mauern sind nicht immer greifbar«, flüsterte ich. »Mein Vater ist gegen sie gerannt, kurz bevor er starb. Wenn es irgendeinen Weg gibt … dann finde ich ihn hier.«
    Mit schnellen Schritten ging ich zur Tür – um eine Entschlossenheit zu demonstrieren, die ich nicht empfand. Verzweiflung war eher das Wort, das mir einfiel. Cyriel folgte mir lautlos und schweigend. Erst nach einer ganzen Weile hörte ich ein leises »Bitte!« an meinem Ohr. Aber ich tat, als hätte ich ihn nicht gehört.
    Im Labor lehnte er sich gegen eine Wand und sah dort aus wie ein echter Schatten. Nur wirkte er sehr verloren, so ganz ohne Gegenstück.
    »Wenn du schon nicht fliehen willst, solltest du dich zumindest etwas ausruhen«, sagte Cyriels Stimme sehr sanft. »Du siehst müde aus.«
    Ich seufzte. »Und du? Du klingst zumindest sehr müde. Wie lange hast du nicht mehr geschlafen?«
    »Schatten brauchen sehr wenig Schlaf.«
    »Wie lange?«, bohrte ich.
    »Drei Tage?«
    »Also eher vier«, vermutete ich. »Leg dich hin.«
    »Könntest du jetzt schlafen?«, fragte er.
    »Wir können auch in ein paar Stunden noch überlegen, was wir tun wollen. Ohne Schlaf werden wir jedoch keine Lösung finden!«, sagte ich sachlich.
    Obwohl ich hoffte, bereits eine gefunden zu haben.Zumindest hatte ich eine Idee – für die ich aber keinen wachen Cyriel brauchen konnte. Betont erschöpft setzte ich mich auf die Matratze. Der Schatten fuhr von der Wand zu mir und sank vor mir auf den Boden.
    »Nimm das Glas mit dem Schatten und stell es so nah wie möglich neben dich«, sagte die Stimme, die ich so gut kannte, ganz leise. Auf einmal berührte mich etwas Dunkles an der Wange, so zart und sanft, dass ich die Luft anhielt – als könne ich damit die Zeit anhalten. »Du musst immer in der Nähe des Glases bleiben.«
    Verwirrt fuhr ich mit der Hand über die Stelle. Dicht neben dem rechten Auge ertastete ich eine Falte. Eine Gesichtsfalte!
    »Ich werde alt!«, stieß ich hervor.
    »Nein«, raunte Cyriel. »Du bist wunderschön. Und dein Schatten wird dir Kraft geben in den nächsten Tagen. Wir … wir schaffen das!«
    Er klang so unglaublich bemüht. Bemüht, mir Mut zu machen und mich aufzurichten. Aber unter seiner Kraft spürte ich seine eigene Mutlosigkeit und ich hätte ihm gern etwas von dem Gefühl zurückgegeben, das er in mir geweckt hatte. Was war das nur, dass ich den starken Cyriel zurückgewiesen hatte – und den schwachen am liebsten umarmt hätte?
    »Wir schaffen das!«, bestätigte ich schnell und rollte mich dann auf der

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