Schattierungen von Weiß
schnaubte Levin, dann besann er sich aber. „Trotzdem vielen Dank.“
„Rufen Sie Lydia an, vielleicht weiß sie etwas“, zuckte Silke Meier mit den Schultern.
„Ja… ja, das mache ich“, Levin ließ den Kopf hängen und ging hinaus aus der Praxis.
Er setzte sich ins Auto und schlug wütend auf das Lenkrad seines Wagens ein. Dann schickte er Kai eine Nachricht, dass er heute nicht mehr in die Uni käme, sich auf den drögen Stoff zu konzentrieren, daran stand ihm wirklich nicht der Sinn.
Er fuhr nach Hause und wählte die Nummer der Hamburger Heilanstalt, aber auch hier kam er nicht weiter. Lydia war ebenso verwundert, genauso wie die Sozialarbeiterin, beide konnten ihm nicht weiterhelfen.
Levin konnte hier nicht bleiben, ihm fiel die Decke auf den Kopf, er musste mit jemanden reden, er brauchte Denkanstöße und Meinungen, in ihm drehte sich alles nur im Kreis.
„Levin, mein Junge. Das ist aber schön“, strahlte Tante Irmi ihn an, dann wurde sie sofort wieder ernst. „Was ist los, du bist ja ganz blass“, sie nahm ihn in den Arm und zog ihn in ihre Wohnung. Entschieden drückte sie ihn aufs Sofa. „Ist etwas mit Mia?“, fragte sie ihn besorgt.
Levin reichte ihr wortlos den Brief, Irmi nestelte nach ihrer Brille und las ihn sich durch. „Oh mein Gott, das ist ja furchtbar“, stammelte sie entsetzt. „Was ist denn bloß geschehen?“
„Das wüsste ich auch gerne…“, er sah sie verzweifelt an. „ Wir haben uns doch so sehr geliebt, das kann doch jetzt nicht einfach vorbei sein“, die Tränen schossen ihm in die Augen, er wollte nicht weinen, doch jetzt konnte er sie nicht mehr stoppen.
„Was soll ich denn bloß ohne sie tun?“, schluchzte er laut.
33
„Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Nur eines ist mir klar: Mia muss dich sehr lieben, Levin.“
Levin lachte bitter auf. „Ja, so sehr, dass sie mich verlassen hat“, trotzig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, dann sah er Irmi an. „Glaubst du, dass Ma und Pa etwas damit zu tun haben? Die Therapeutin hatte so etwas angedeutet, weil Mia mir soviel Geld dagelassen hat und ich mir nicht erklären kann, woher sie es hat…“
Irmi zuckte mit den Schultern. „Sie sind jedenfalls die stärkste Front gegen dich und Mia. Aber ob sie so weit gehen würden? Ich weiß es nicht, ich möchte mir das nicht vorstellen.“
„Ich mir eigentlich auch nicht“, stöhnte Levin auf.
„Soll ich mal mit ihnen reden? Dann sehe ich ja, wie sie reagieren. Oder möchtest du selbst zu ihnen fahren?“
„Und ihnen sagen, dass Mia weg ist? Damit sie sich darüber noch freuen können? Nein, danke!“, schnaubte Levin.
„Mensch Junge, das tut mir so leid“, Irmi nahm ihn in den Arm. „Was hat das Mädchen sich bloß dabei gedacht? Und wo mag sie nur sein?“
„Sie wird sich nicht so leicht finden lassen. Vielleicht ist sie ja auch nach Marokko“, Levin schüttelte den Kopf.
„Marokko?“
„Dorthin wollte sie, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich darf gar nicht daran denken, dass sie jetzt wieder allein unterwegs ist. Ich habe eine Scheiß-Angst um sie“, er schluckte gegen den dicken Kloß im Hals an. „Ich hoffe, sie macht keine Dummheiten…“
„Was meinst du mit ‚Dummheiten’?“, fragte Irmi erschrocken. „Glaubst du, sie würde sich etwas antun?“
„Nein… ach nein, eigentlich nicht. Ich hoffe nicht“, Levin fuhr sich immer wieder mit der Hand durch die Haare. „Aber sie ist teilweise noch so naiv, ich habe einfach Angst, dass sie an die Falschen gerät.“
„Was kann man bloß machen? Was meinst du, sollen wir einen Detektiv auf sie ansetzen? Vielleicht ist sie ja noch in der Stadt? Hat sie eine Freundin? Vielleicht ist sie ja dort untergetaucht“, grübelte Irmi laut.
„Ich werde heute auf jeden Fall herumtelefonieren, aber ich glaube nicht, dass sie noch hier ist. Sie würde nie jemanden in die Zwickmühle bringen, und das würde sie ja unwillkürlich tun, wenn sie bei unseren Freunden Unterschlupf sucht“, Levin wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. „Aber das mit dem Detektiv ist vielleicht eine gute Idee. Ich hab’ ja jetzt genug Geld“, lachte er bitter.
„Ich bezahle das“, sagte Irmi entschieden. „Wer weiß, vielleicht findet er etwas heraus .“
„Danke“, Levin gab ihr ein Küsschen auf die Wange.
Levin begann der Reihe nach seine Freunde anzurufen. Es war früher Nachmittag, er erreichte nicht alle, aber die Wichtigste war eh in seinen
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