Schattierungen von Weiß
was sie erzählen würde, denn sie war gestern Abend bei seinen Eltern gewesen.
Kai und er hatten sich gestern noch ganz schön abgeschossen, dementsprechend laut dröh nte jetzt sein Kopf, als er bei Irmi ankam.
„Levin – du siehst furchtbar aus“, rügte sie ihn auch sofort, als sie die Türe öffnete.
„Weiß ich, ich fühl’ mich auch so“, knurrte er.
Sie hatte den Tisch bereits gedeckt, es sah altertümlich aus, aber auch sehr stilvoll , es passte zu der älteren Dame.
„Kaffee?“
„Ja, bitte. Literweise“, nickte er ihr zu, er überlegte, ob sein Magen ein Brötchen vertragen konnte, irgendwie hatte er keinen Hunger, aber er musste etwas essen, gestern hatte er den ganzen Tag über keinen Bissen hinuntergebracht.
„Ich war gestern bei James und Sonja, wie du weißt“, begann Irmi dann, Levin sah sie aufmerksam an.
„Und? Sind sie in Jubelschreie ausgebrochen, als sie gehört haben, dass Mia weg ist?“, ätzte er los.
„Dein Vater wirkte ehrlich überrascht, hat es dann aber mit Genugtuung aufgenommen. Sonja hat sich zurückgehalten mit Äußerungen. Als ich ihnen erzählt habe, wie viel Geld Mia dir dagelassen hat, waren sie beide sehr erstaunt, jedenfalls kam mir das so vor“, Irmi seufzte auf. „Ich weiß nicht, ich will ihnen auch nichts unterstellen. Bei deinem Vater bin ich mir auch eigentlich sicher, dass er nichts mit Mias Verschwinden zu tun hat…“
„Bei Ma nicht?“, Levin spürte bereits, wie die Wut in ihm hochkochte.
„Doch, schon. Sonja war immer sehr zielstrebig, wenn sie etwas erreichen wollte. Aber das traue ich meiner Schwester dann doch nicht zu. Sie liebt dich, und auch, wenn sie Mia nicht für eine geeignete Wahl hält, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das ihrem Sohn antun würde“, Irmi schüttelte den Kopf, dann wandte sie sich an Levin. „Aber ich soll dir von deinem Vater ausrichten, dass es ihm leid für dich tut, dass Mia weg ist. Du bist jederzeit eingeladen, bei ihnen vorbei zu schauen.“
„Wie nett“, seine Worte trieften vor Hohn. „Wenn ich dorthin fahren sollte, dann nur, um ihnen nochmal auf den Zahn zu fühlen“, grummelte er. „Aber vorher werde ich abwarten, was der Detektiv herausfindet.“
„Ich denke, das ist eine gute Entscheidung. Vielleicht klärt sich ja doch alles ganz anders auf“, pflichtete Irmi ihm bei. „Und vielleicht besinnt sich Mia ja auch noch und kommt zurück. Wer weiß, ob nicht die Sehnsucht am Ende Überhand gewinnt.“
„Ich kann es nur hoffen, ich würde sie sofort wieder mit offenen Armen empfangen.“
„Das kann ich mir denken. Ich habe ja immer gesagt, nichts geschieht ohne Grund – aber so langsam kommen mir Zweifel, ob das wirklich immer zutrifft“, sagte Irmi traurig.
Mia setzte sich mit einem Seufzer auf die freie Sitzbank in der Bahn. Sie war froh, dass sie den Zug noch bekommen hatte, der sie nach Marrakesch bringen würde. In der letzten Nacht hatte sie nicht viel Schlaf abbekommen, der Liebeskummer und ihre ungebetenen Mitbewohner hatten sie auf Trab gehalten.
Jetzt war Mia total übermüdet und fühlte sich erschöpft, sie löste das Kopftuch und lehnte sich an die Polster an. Hoffentlich hatte sie Glück und niemand im Zug würde sie belästigen. Sie hatte leider feststellen müssen, dass sie als alleinstehende blonde Frau mit allerlei Zudringlichkeiten konfrontiert wurde. Mia wusste sich kaum zu helfen, sie machte nur immer, dass sie schnell fort kam. Schließlich hatte sie ein Bekleidungsgeschäft gefunden und sich ein Kopftuch gekauft. Jetzt fiel sie mit ihren blonden Locken wenigstens nicht sofort auf.
„Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?“
Mia stöhnte innerlich, sie öffnete die Augen und sah ein älteres Ehepaar vor sich, es waren keine Einheimischen, ihre Haut war etwas heller.
„Ja, natürlich“, antwortete sie ihnen, die beiden älteren Herrschaften setzten sich ihr gegenüber hin.
Die Dame lächelte Mia zu. „Sie stammen aus Deutschland?“
„Ja“, nickte Mia. „Ist mein Akzent so stark?“, fragte sie unsicher.
„Nein, das nicht, aber wir sind Franzosen, da hört man so etwas schnell heraus“, erklärte die ältere Frau ihr freundlich.
„Oh, dann ist das ja klar“, räusperte Mia sich verlegen. Bisher kam sie mit ihrem Französisch hier ganz gut zurecht, aber von waschechten Franzosen erkannt zu werden, war wohl keine Schande.
Immerhin schienen die beiden ganz nett zu sein, Mia entspannte sich etwas. Sie hatte die Nase voll von den
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