Schatz, schmeckts dir nicht
Spielchen bin ich momentan überhaupt nicht zu haben. Diane ist nicht im Büro und es geht auch niemand ans Telefon bei ihr zuhause!« Jans Stimme klang besorgt und aufgeregt.
»Wie kann ich dir helfen?«
»Hast du irgendwas von Diane gehört in den letzten Tagen oder hat sie dir etwas über Reisepläne erzählt?«
»Nicht, dass ich wüsste. Außerdem, so eng sind wir ja auch nicht miteinander.« Helene schaffte gerade noch die Vermeidung des Imperfekts.
»Na ja, hätte ja sein können. Ich werde gleich mal bei ihr vorbeifahren und nach dem Rechten sehen. Sie ist doch sonst immer so zuverlässig. Vielleicht ist sie ja krank.«
»Hast du denn einen Schlüssel? Falls das überhaupt notwendig sein sollte.«
»Es liegt einer unter einem der großen Steine rechts neben der Haustür. Also, ich mach mich auf den Weg.«
Das mit dem Schlüssel war Helene neu, aber kein Problem.
»Mach dir keine Gedanken! Und gib mir Bescheid, wenn du was weißt! Viel Glück, Jan!«
Helene erwartete das Ergebnis seiner Recherche mit mehr Spannung, als sie sich selbst zugestehen wollte. Doch was sollte sein? Im Grunde wusste sie, was er herausfinden würde. Und sie widmete sich wieder dem Studium ihrer Bücher.
Eine Stunde später meldete sich Jan wieder. Mit einer Mischung aus Unglauben und Verwunderung schilderte er Helene, dass Diane offenbar mitsamt ihren Sachen aus dem Häuschen verschwunden war.
»Kannst du dir das vorstellen? Ich weiß noch gar nicht, was ich davon halten soll. Ohne ein Wort einfach wegzugehen. Also, ich …«
»Das ist ja wirklich ein Ding! Sie ist Hals über Kopf abgehauen? Aber warum?«
»Ich weiß es nicht, Helene. Aber es hat wahrscheinlich auch keinen Sinn, sich in wilde Spekulationen zu versteigen. Das einzig Positive ist, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, dass irgendwas Schlimmes passiert ist. Sie ist einfach weg und ich muss sehen, dass wir hier im Büro jetzt alles termingerecht hinkriegen. Irgendwie können wir es auch ohne Diane schaffen, wenn auch mit Bauchschmerzen. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als wäre sie in zwei Tagen wieder zurück – sonst hätte sie nicht so gut wie alle ihre Sachen mitgenommen, soweit ich das beurteilen kann.« In Jans Stimme hatte sich eine gewisse Bitterkeit gemischt. Er musste einfach maßlos enttäuscht sein. Fast tat er Helene ein bisschen leid.
»Ich wünsche dir trotzdem noch einen guten Tag, und dass du mit deiner Arbeit vorwärtskommst.«
»Danke, Lenchen! Wir sehen uns heute Abend.«
»Kommst du zum Essen?«
»Ja, bestimmt.«
Mit Befriedigung registrierte Helene diese Antwort, denn das gemeinsame Abendessen hatte in den letzten Monaten absoluten Seltenheitswert erlangt.
»Also, bis heute Abend, Schatz!«
»Ja, bis dann. Tschüss.«
Das Thema Diane blieb in den folgenden Tagen der Mittelpunkt ihrer Gespräche. Mitte der Woche stornierte Jan die Lanzarote-Reise mit der Bemerkung, dass er sich den Luxus jetzt nicht mehr leisten könne, nachdem seine wichtigste Mitarbeiterin bei Öko-City ausgefallen war. Außerdem war es Diane, die auf Lanzarote die Kontakte hatte und wusste, welche Leute ihnen wertvolle Informationen liefern konnten. In seine menschliche Enttäuschung, von Diane einfach so mit dem Projekt sitzengelassen zu werden, mischte sich Zorn über ihre sprichwörtliche Unzuverlässigkeit.
Helene hütete sich davor, über Diane ein böses Wort fallen zu lassen. Sie suchte bereitwillig mit Jan nach Erklärungen, was sie wohl motiviert haben könnte, die Stadt zu verlassen.
»Und was du immer noch nicht wahrhaben willst, Jan: Auf Dianes Housewarming-Party hat dieser Freund, der zur Zeit in den Staaten lebt – Felix, dem auch das Häuschen gehört – der hat doch sehr deutlich gemacht, dass Diane ein ausgesprochen unstetes Wesen hat und schon des Öfteren so mir nichts dir nichts ihre Koffer gepackt hat, um in eine andere Ecke der Welt zu ziehen. Wochen oder Monate später hat sie sich dann erst per Postkarte gemeldet.«
»Ich weiß, da hast du schon mal drauf hingewiesen. Aber doch nicht, wenn sie eine Verpflichtung eingegangen ist! Herrgott, sie war doch so engagiert, so begeistert! Man lässt ein derartiges gemeinsames Projekt nicht über Nacht einfach sausen. Schon gar nicht, wenn man sonst so ein verlässlicher, nachdenklicher Mensch ist! Und wir hatten so eine Nähe, ein Vertrauen zueinander entwickelt. Sie hätte doch mit mir über alles reden können!«
»Du hast ja recht, Jan. Aber vielleicht hat sie ihre
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