Schatz, schmeckts dir nicht
Bauprojekt, und er hätte natürlich nie erwartet, dass sie vor Beendigung dieser Arbeit sang- und klanglos ihre Koffer packt.«
Vincent lächelte.
»Das ist typisch Diane. Man kann nicht sagen, dass sie unzuverlässig ist. Doch ausschließlich sie selbst bestimmt, wie lange ihre Anwesenheit nötig ist. Wer weiß, in welchem Kloster im Himalaya sie jetzt gerade meditiert!«
»Vielleicht gelingt es Ihnen ja, meinen Mann zu überzeugen. Er muss übrigens gleich kommen. Darf ich Ihnen etwas zum Trinken anbieten?«
Tatsächlich kam Jan kurz darauf nach Hause. Er hatte es gerade noch geschafft, denn nun klatschten die ersten dicken Tropfen gegen die Scheibe, und ein Blitz fuhr grell über den Himmel, auf dem Fuße gefolgt von einem krachenden Donnerschlag. Helene stellte den Besucher vor, und Vincent war sichtlich bemüht, den Auftrag seines Vaters zu erfüllen und Jans Zweifel über Dianes Verschwinden zu zerstreuen.
Fast wäre dem jungen Mann dies auch gelungen. Wenn nicht, ja, wenn nicht Helene die dumme Frage gestellt hätte, wo er denn vorhätte zu übernachten.
»Oh, ich habe mich in Vaters Häuschen eingerichtet. Das hatte ich ohnehin vor, und wo der Schlüssel versteckt ist, wusste ich auch noch. Es ist dort alles wunderbar in Ordnung, klein, gemütlich – gerade richtig für mich. Sogar der alte Tiefkühler im Keller ist voll bis oben hin mit Fleisch gefüllt, obwohl ich eigentlich nicht vorhabe, irgendwelche Festgelage zu veranstalten. Ich werde ohnehin nur ein paar Tage bleiben.«
In gleichem Maße, in dem diese Aussage Helene zu lähmen schien, war ihr Mann sofort wie elektrisiert.
»Der Tiefkühler im Keller voll Fleisch? Diane hat dieses Monstrum nie benutzt! Und Fleisch wäre ihr schon gar nicht ins Haus gekommen. Sie war stolz darauf, in ihrem Haushalt keinen Topf und keine Pfanne zu besitzen, die jemals mit Fleisch in Berührung gekommen waren. Da stimmt etwas nicht!«
So schwungvoll wie einer dieser erfolgreichen, smarten Fahnder im Fernsehen, sprang Jan von seinem Sessel und fragte knapp: »Kommen Sie mit, Vincent? Den Keller hatte ich mir neulich gar nicht angeschaut. Bis später, Helene.«
Und schon waren die beiden weg. Helenes ausgeklügelter Plan für die Transporte aus dem Häuschen war zunichte gemacht. Der Regen prasselte gegen die Scheibe, und sie konnte nur einfach so dasitzen und zusehen.
Dann ging alles sehr schnell.
Die Zeitungen sprachen von einem grausigen Fund, und schwelgten dabei genüsslich in den blutigen Einzelteilen. Die Kriminalpolizei suchte in Dianes Umfeld nach einer Person, die im weitesten Sinne mit Jagdtechniken und Wildbretverarbeitung vertraut war. Sie stießen schnell auf Helene. Ihre Perfektion, auf die sie immer so stolz war, wurde ihr schließlich zum Verhängnis. Der Verkäufer in dem Spezialgeschäft für Jagdwaffen und Zubehör – dem ersten Haus am Platze – erinnerte sich sofort an die freundliche, überaus interessierte Dame, die vor ein paar Wochen für einen hohen Geldbetrag bei ihm eingekauft hatte. Er hatte sich noch gewundert, da eigentlich gerade keine Saison war. Aber sie hatte bar bezahlt und wollte keine Rechnung, wogegen er nichts einzuwenden hatte.
Helene leugnete nicht. Sie zeigte sich den Beamten gegenüber sehr kooperativ und versuchte immer wieder, ihnen klarzumachen, dass sie in reiner Notwehr gehandelt habe, da diese Frau ihre Ehe zerstören wollte. Nur fand sie für diese Argumentation kein Gehör. Familie und Freunde waren schockiert, und die meisten brachen vorerst den Kontakt zu ihr ab.
Jan war fassungslos. Nachdem Helenes Schuld erwiesen war, schaute er sie an, als ob er sie zum ersten Mal sähe. Immer wieder schüttelte er nur langsam seinen Kopf und brachte ihr gegenüber kein Wort über die Lippen.
Helene war nicht erstaunt. Er begriff wie immer nichts. Und seinen Anteil am Zustandekommen ihrer misslichen Lage sah er schon gar nicht. Die Größe ihrer Gefühle und die Einzigartigkeit ihrer Beziehung hatte Jan nie wahrgenommen, und so konnte er auch nicht realisieren, welche Gefahr Diane dafür bedeutet hatte. Doch Helene war ihm nicht böse, denn sie hatte es nicht anders erwartet. So war er eben. Dass ihr zumeist harmonisches Zusammenleben ihrer stillen Regie zu verdanken war – nie wäre er darauf gekommen. Von Anfang an hatte sie die Rolle der alleinigen Hüterin ihres heimischen Herdes und Glückes übernehmen müssen, und sie hatte es immer mit Begeisterung und Perfektion getan.
Als er seine
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