Schatzfinder
aufraffen.
So zerstört man Träume. Chris Gardner scheint nicht nur finanziell arm, sondern auch noch charakterlich minderbemittelt zu sein. Wie kommt er nur auf die Idee, seinen Frust an einem Sechsjährigen auszulassen? Seine Minderwertigkeitskomplexe auf seinen eigenen Sohn zu projizieren? Fühlt er sich ein kleines Stück größer, wenn er ein Kind ein kleines Stück kleiner macht? Wie armselig.
Als ich Will Smith als Chris Gardner in dieser Szene des Hollywood-Streifens
Das Streben nach Glück
von 2006 sah, wollte ich schon aufstehen und das Kino verlassen. So ein depressiver Jammerlappen, das war ja nicht zum Aushalten. Selbstzweifel habe ich selbst schon genug. Musste ich mir das antun? – Doch dann kam die Wende.
Wenn du einen Traum hast, musst du ihn beschützen.
Chris sieht seinen Sohn an und weiß mit einem Schlag, was er angerichtet hat. Anstatt in sich zusammenzusinken und in Selbstmitleid zu vergehen, statt sich wie alle vorzumachen, dass man eben realistisch bleiben muss, klammert er sich an den Maschendrahtzaun hinter dem Spielfeld, zieht sich hoch und schaut in die Ferne. In seinem Gesicht zieht eine wilde Entschlossenheit auf, ein aufrechter Wille, ein verletzter, aber noch nicht gebrochener Stolz: »Hey«, sagt er leise zu seinem Sohn. »Lass dir von niemandem je einreden, dass du was nicht kannst. Auch nicht von mir! Okay? Wenn du einen Traum hast, musst du ihn beschützen. Wenn andere was nicht können, versuchen sie dir immer einzureden, dass du’s auch nicht kannst … Wenn du was willst, dann mach es! Basta!«
Und natürlich meint er damit sich selbst genauso wie seinen Sohn. Er schnappt sich das blöde Knochendichtemessgerät und stürmt los, er will sich einfach nicht unterkriegen lassen. Er sieht auf der Straße einen Mann aus einem roten Ferrari aussteigen und fragt ihn zwei einfache Fragen: »Was tun Sie beruflich?« und »Wie tun Sie es?« Chris hört gut zu und sucht dann seineChance: Bei einer Investmentbank bekommt er ein sechsmonatiges Praktikum angeboten. Unbezahlt. Das bedeutet, er muss nebenher weiter Klinken putzen, noch mehr arbeiten, hat noch weniger Zeit für sein Kind. Er arbeitet bis zur totalen Erschöpfung. Und dann treibt das Finanzamt seine Schulden ein, und der Vermieter schmeißt ihn raus. Chris und Christopher landen auf der Straße und müssen im Müll schlafen. Aber Chris gibt nicht auf.
Die Abschlussprüfung des Praktikums nach sechs beinharten Monaten ist wie ein Symbol für die große Lebensprüfung, die Chris durchlitten hat – er besteht beide. Die Investmentbank stellt ihn ein. Am Ende wird er ein erfolgreicher Börsenmakler, und das ist noch nicht einmal Fiktion, sondern eine wahre Geschichte. Und später wird er mit seiner eigenen Firma zum Millionär und unterstützt heute zahlreiche Wohltätigkeitsorganisationen, darunter die Kirche, in der er damals mit seinem Sohn Unterschlupf gefunden hatte. In der Stadt, in der er einst obdachlos war, finanzierte er ein Wohn- und Beschäftigungsprojekt für armutsbedrohte und obdachlose Menschen, und er berät und unterrichtet ehrenamtlich Obdachlose.
Er hatte sich nicht zufriedengegeben mit den kleinen grauen Kritzeleien auf seiner Lebensleinwand.
Wow. Er hat es wirklich geschafft. Er hatte sich nicht zufriedengegeben mit den kleinen grauen Kritzeleien auf seiner Lebensleinwand. Er setzte zum großen Strich an. Und weil er eine Vorstellung von einem größeren Leben hatte, weil er eine Skizze im Kopf hatte, erkannte er seine Chance, als sie sich ihm bot. Und nutzte sie.
Hundeleben
Wenn gar ein kleiner Handelsvertreter ohne Geld, Glück und Geschick es schaffen kann, dann ist es mir zu einfach, die Schuld auf Eltern, Schule und Gesellschaft zu schieben. Umglücklich zu sein, müssen wir nur das aufgeben, was uns unglücklich macht.
Ja, ich rege mich immer wieder und furchtbar gerne über das hundsmiserable Schulsystem, nicht unternehmensorientierte Lehrer, versagende Eltern und die freiheitsraubenden Umstände in unserer Gesellschaft auf. Ich bin auch überzeugt davon, dass ich mit meiner Kritik an den Verhältnissen, in denen wir unsere Kinder aufwachsen lassen, recht habe: Unsere Schulen sind eine Katastrophe, zu viele Eltern erziehen ihre Kinder zu Versagern, und unsere Gesellschaft bietet kein Wachstumsklima, sondern fördert die Lebensmonokultur. Ja, das ist alles richtig, und es ist so leicht nachzuweisen. Aber das genügt mir nicht. Es ist zu einfach. Das eigene Versagen auf die verkorkste Kindheit
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