Schatzfinder
müssen.
Wenn ich Geld verdienen will, muss ich was tun. Aber erst
will
ich, nämlich Geld verdienen, dann
tu
ich, nämlich arbeiten. Das Wollen ist die Voraussetzung, dadurch entsteht ein davon abhängiger Selbstzwang, eine geschaffene Kausalität, ein in die Welt gesetztes Wenn-dann-Muster. Es gibt in Wahrheit kein Müssen, es ist immer ein Müssenwollen. Aber ein Müssenwollen ist immer noch ein Wollen …
Selbstverständlich klammere ich jetzt die ganz wenigen, hoffentlich bei Ihnen nie eintretenden echten Zwangssituationen aus, die bei Gewalttaten entstehen. Natürlich will niemand vergewaltigt oder umgebracht werden. Es gibt tatsächlich Situationen, in denen wir keine Wahl haben – und das sind die schrecklichsten Situationen, die es im Leben gibt. Und außerdem gibt es noch den Tod, zum dem wir verurteilt sind, unser einziges Geburtsrecht sozusagen. Jeder von uns muss tatsächlich sterben, ob wir wollen oder nicht. Auch das ist eigentlich ein Akt der Gewalt, höhere Gewalt sozusagen. Aber wenigstens werden wir über den Zeitpunkt dieses Gewaltakts im Unklaren gelassen.
Nichtsdestotrotz: Die genannten sechs Dinge, vereinzelte Gewalttaten und den Tod außen vor gelassen behaupte ich: Sie müssen nie!
Ich kenne Menschen, die diesen Gedanken schon ernsthaft durchdrungen und daraus ihre Konsequenzen gezogen haben.Sie haben beispielsweise das Wort »müssen« aus ihrem Sprachgebrauch gestrichen. Stattdessen hat einer von ihnen sich angewöhnt, »dürfen« zu sagen. Das hat Charme. Er sagt zum Beispiel: »Also, liebe Leute, ich bin jetzt müde, ich darf ins Bett gehen. Tschüss!«
Dürfen statt müssen, das ist schon mal bedeutend ehrlicher. Wenn ich selbst so streng mit mir sein und Hand an meinen Sprachgebrauch legen wollte, dann würde ich nicht »ich darf« sagen, sondern schlicht: »ich will«: Entschuldigen Sie bitte, ich will mal eben kurz auf die Toilette. – Ich will heute Abend noch arbeiten. – Ich will das Gespräch nun beenden, denn ich will jetzt pünktlich in die Sitzung. – Danke für das Gespräch, ich will mich jetzt auch noch mit anderen hier unterhalten. – Nein, ich will jetzt keinen Sex, ich will unter die Dusche und dann zur Arbeit. Das ist direkt, ja, aber es ist in diesen Momenten die schlichte Wahrheit. Merkwürdig, dass wir es nicht alle so halten!
Warum geben viele Menschen die Selbstbestimmung an der Garderobe des Lebens ab?
Warum geben viele Menschen die Selbstbestimmung an der Garderobe des Lebens ab?
Die Macht der Mächtigen kommt von der Ohnmacht der Ohnmächtigen.
Das mit dem Müssen ist wohl eher so eine Glaubenssache. Wir glauben, wir müssten, und das scheint uns irgendwie beim Leben zu helfen. Vielleicht lässt es uns die Härte des Lebens leichter verdauen, wenn wir uns alternativlos wähnen und dann gegenüber den anderen so tun, als hätten wir keine Alternative. Denn wählen und entscheiden ist ja immerhin anstrengend. Und für das Ergebnis der Entscheidung müssten wir dann vor uns selbst und vor den anderen, die es betrifft, die Verantwortung übernehmen. Die Macht der Mächtigen kommt von der Ohnmacht der Ohnmächtigen. Wer muss, kann einfach die Schultern zucken, die Hände heben und voller Unschuld sagen: Ich kann doch nichts dafür …
Wenn aber der Glaube des Müssens uns lenkt, dann werden Unternehmen und Gesellschaften zu Glaubensgemeinschaften,aus denen der Wille weggeleugnet wird. Dann sagen die Leute: »Ich kann es mir nicht leisten, ich habe nicht das Geld.« Und sie sagen nicht: »Ich will das nicht, das ist mir zu teuer.« Sie sagen: »Tut mir leid, ich kann nicht kommen, ich habe keine Zeit.« Und sie sagen nicht: »Ich will zu einem anderen Termin, der mir wichtiger ist.« Sie sagen: »Tut mir leid Schatz, ich muss noch arbeiten.« Und sie sagen nicht: »Ich habe gerade keine Lust auf dich.« Und sie sagen: »Wir müssen unsere Soldaten nach Afghanistan schicken!« Und sie sagen nicht: »Ich will, dass unsere Soldaten in den Krieg ziehen.«
Jammern ist ein Symptom der Selbsttäuschung.
Dass das alles immer nur eine Frage der jeweiligen persönlichen Prioritäten ist, ist den Menschen nicht klar. Am Jammern erkennt man das. Jammern bedeutet, dass die Menschen beklagen, etwas tun oder erdulden zu müssen, was sie glauben, nicht zu wollen. Jammern ist ein Symptom der Selbsttäuschung. Eigentlich hat man abgewägt, die Prioritäten festgelegt und sich entschieden – aus freien Stücken –, doch dann will man nicht dazu stehen und bezeugt dies
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