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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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ausgestreckt. Kein hitziger Kampf mit Knöpfen und Reißverschlüssen, keine leidenschaftlichen Zärtlichkeiten. Sie hatten nur dagelegen und einander in den Armen gehalten, Jess hatte ab und zu die Augen zugemacht und immer, wenn sie sie wieder geöffnet hatte, Adam gesehen, der den Blick nicht von ihr zu wenden schien.

    »Was ist?« fragte sie jetzt und setzte sich auf. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Ich habe gerade gedacht, wie schön du bist«, sagte er, und Jess hätte beinahe gelacht.
    »Ich bin total ungeschminkt«, sagte sie. »Ich laufe schon den ganzen Tag im selben alten Jogginganzug herum, und ich hab die halbe Nacht geheult. Wie kannst du da sagen, daß ich schön bin?«
    »Wie kannst du glauben, daß du es nicht bist?« fragte er zurück und massierte sanft ihren Rücken.
    Jess wölbte ihren Rücken und drückte ihn gegen seine Hände. »Ich höre ständig diese stolzgeschwellten Toreros durch mein Hirn marschieren«, sagte sie. »Komisch eigentlich, ich habe Carmen nie richtig gemocht.«
    »Nein?«
    »Auch so eine eigensinnige Frau, die nicht tut, was der Mann gern möchte, und dafür von ihm umgebracht wird. Mit solchen Geschichten hab ich in meiner Arbeit genug zu tun.«
    »Versuch jetzt nicht an solche Dinge zu denken. Entspann dich lieber. Versuch, ein bißchen zu schlafen.«
    »Du wirst es nicht glauben, aber ich bin hungrig«, sagte Jess, selbst überrascht. »Es ist wirklich nicht zu fassen, ganz gleich, was passiert, den Appetit verschlägt es mir anscheinend nie.«
    »Soll ich dir eins von meinen Spezialomeletts machen?«
    »Zuviel Aufwand. Ich glaube, ich schiebe einfach ein paar gefrorene Pizzas in die Mikrowelle.«
    »Sehr verlockend.«
    Sie stand auf und schlurfte in die Küche, hörte ihre Mutter rufen, sie solle beim Gehen die Füße heben. Adam stand direkt hinter ihr, als sie den Tiefkühlschrank öffnete und den Karton mit den gefrorenen Pizzas herausnahm.
    »Für mich nur eine«, sagte er.

    Während Jess drei kleine gefrorene Pizzas auf einen Teller legte, schlang Adam von hinten die Arme um sie, und sie lehnte sich an ihn, ließ sich einfach zurückfallen, darauf vertrauend, daß er sie halten würde. Er küßte ihr Haar, ihren Hals, ihre Wangen. Langsam, widerstrebend löste sie sich aus seiner Umarmung, ging mit dem Teller mit den Pizzas zum Mikrowellenherd und öffnete ihn.
    Eine gigantische Welle des Ekels durchflutete sie augenblicklich, füllte ihren Magen und drohte sie von innen zu ertränken. Sie drückte ihre freie Hand auf ihren Mund, stumm und starr vor Grauen über das, was sie sah.
    Der kleine Kanarienvogel lag steif auf der Seite, die dünnen Beinchen gerade ausgestreckt. Sein gelbes Gefieder war schwarz und verkohlt, seine Augen im Tod erloschen.
    »O Gott, o Gott«, schluchzte Jess und krümmte sich, während sie nach rückwärts taumelte. Die Übelkeit, die sie überfiel, war so heftig, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnte.
    »Was ist denn?« rief Adam und rannte zu ihr, um sie zu halten, ehe sie fallen konnte.
    Jess öffnete den Mund, um zu sprechen, aber kein Wort kam über ihre Lippen. Dann übergab sie sich.

23
    A ls sie erwachte, roch es nach frischgekochtem Kaffee. Adam saß am Fuß ihres Betts und hielt ihr eine volle Tasse hin.
    »Ich war mir nicht sicher, ob dir nach Essen zumute sein würde«, sagte er mit einem entschuldigenden Achselzucken. »Darum habe ich nichts gemacht.«
    Jess nahm ihm die Tasse aus der Hand, trank einen kräftigen Schluck und schwenkte den Kaffee sachte in ihrem Mund hin und
her, um den unangenehmen Geschmack loszuwerden, der sich immer noch hielt. Sie erinnerte sich verschwommen, daß Adam sie abgewaschen, ihr die nassen Kleider ausgezogen und das Nachthemd angezogen und sie dann ins Bett gesteckt hatte.
    »Wie fühlst du dich?« fragte er.
    »Wie durch die Mangel gedreht«, antwortete Jess. »Als hätte jemand die Füllung aus mir rausgeprügelt.«
    »So war’s ja auch«, sagte er.
    »Ach Gott«, sagte sie und fing schon wieder an zu weinen. »Mein armer kleiner Fred.« Ihre Hände zitterten. Adam hielt sie fest, nahm ihr die Kaffeetasse ab und stellte sie auf den Nachttisch. »War das eine Nacht!« sagte Jess und hätte unter Tränen beinahe gelacht. »Kannst du mir sagen, wann du das letzte Mal so einen Abend erlebt hast? Du führst eine Frau zum Essen aus, und ehe du weißt, wie dir geschieht, wirst du von der Polizei verhört und holst gebratene

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