Schau Dich Nicht Um
mit dem Frottiertuch die Haare zu trocknen.
»Ich hab mir Sorgen um dich gemacht«, sagte er. »Der Mann, den ich engagiert habe, damit er ein Auge auf dich hat, berichtete mir, es hätte hier einigen Wirbel mit der Polizei gegeben.«
»Das war gestern abend.«
»Ich bin erst heute morgen nach Hause gekommen«, gestand er etwas verlegen.
Jess sah ihn gespielt vorwurfsvoll an. In Wahrheit war sie ungeheuer erleichtert.
»Ich bin sofort herübergefahren. Dein Freund«, sagte er und wäre an dem Wort fast erstickt, »hat mich reingelassen. Er sagte, du seist gerade unter der Dusche, aber -«
»- aber du wolltest es mit eigenen Augen sehen. Na, das hast du geschafft.«
»Was war gestern abend los?« fragte Don.
Jess erzählte. Wie sie bei ihrer Heimkehr Adam vor dem Haus getroffen hatte, wie sie oben in ihrer Wohnung das weit offene Wohnzimmerfenster und der leere Vogelkäfig empfangen hatten.
Sie erzählte, wie sie in der Nacht hungrig erwacht war, in die Küche gegangen war, um sich etwas zu essen zu machen, die Klappe des Mikrowellenherds geöffnet hatte und drinnen ihren toten Kanarienvogel gefunden hatte.
»O Gott, Jess. Das tut mir wirklich leid.«
Jess wischte sich ein paar Tränen ab, erstaunt über ihr schier unerschöpfliches Reservoir. »Er war so ein niedlicher kleiner Vogel. Den ganzen Tag hat er brav in seinem Käfig gesessen und gezwitschert. Was für ein Sadist...?«
»Es gibt unglaublich viele kranke Menschen«, stellte Don bekümmert fest.
»Ich denke besonders an einen.«
»Ich habe dir etwas mitzuteilen«, sagte Don. »Etwas, das dich eigentlich beruhigen müßte. Wenn das möglich ist.«
»Was denn?«
»Rick Ferguson ist heute morgen um acht Uhr auf dem Polizeirevier erschienen und hat sich gestellt.«
»Was?« Jess rannte sofort zu ihrem Schrank und suchte sich etwas zum Anziehen heraus.
»Er behauptet, er hätte keine Ahnung gehabt, daß er von der Polizei gesucht wird. Er war mit einer Frau zusammen, die er gerade kennengelernt hatte -«
»Klar, das glaub ich ihm aufs Wort. Er kann sich nur leider nicht an ihren Namen erinnern.«
»Ich glaube, er hat sie gar nicht danach gefragt.«
Jess schlüpfte in ihre Unterwäsche, dann in Jeans und einen dikken blauen Pullover. »Wie lange weißt du das schon?«
Jess bemerkte die Traurigkeit in Dons Augen. »Als ich heute morgen nach Hause kam, waren zwei Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter«, sagte er ruhig. »Die eine betraf dich und das, was gestern abend hier los war; die andere war von Rick Ferguson. Er teilte mir mit, er sei zu Hause gewesen, habe mit seiner Mutter
gesprochen und gehört, daß die Polizei ihn suche. Er sei jetzt auf dem Weg zum Revier, um sich zu stellen. Ich fahre jetzt auch hin. Ich glaube, ich werde ihn überzeugen können, daß es in seinem Interesse ist, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten.«
»Gut. Ich fahre mit dir.« Jess band ihr nasses Haar zum Pferdeschwanz.
»Und was ist mit dem Küchenchef?«
»Das Frühstück muß eben warten, bis ich wieder da bin.«
»Du willst den Mann allein in deiner Wohnung lassen?« Dons Stimme war ungläubig. »Jess, muß ich dich erst daran erinnern, daß das letzte Mal, als er hier war, deine gesamte Unterwäsche zerschnitten war?«
»Don, mach dich nicht lächerlich.«
»War es nur Zufall, daß er gestern abend hier war, Jess?« fragte Don ungeduldig. »Bist du überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, daß vielleicht Adam der Einbrecher war? Daß vielleicht Adam deinen Kanarienvogel getötet hat? Du hast ihn erwischt, als er sich gerade aus dem Staub machen wollte.«
»Ich hab ihn nicht erwischt, und er wollte sich nicht aus dem Staub machen«, protestierte Jess. »Er war hier, weil er auf mich gewartet hat. Er war gar nicht oben gewesen.«
»Wer sagt das?«
»Er«, antwortete Jess unsicher.
»Und du glaubst alles, was er sagt? Du ziehst die Möglichkeit, daß er lügen könnte, nicht einmal in Betracht?«
»Erzähl du mir keine Geheimnisse, dann erzähl ich dir keine Lügen«, sagte Jess, ohne sich bewußt zu sein, daß sie laut sprach.
»Was?«
Jess kehrte mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. »Das ist doch unsinnig, Don. Weshalb hätte Adam diese Dinge tun sollen? Was könnte er für ein Motiv haben?«
»Das weiß ich doch nicht. Ich weiß nur eines: Seit du diesen Burschen
kennengelernt hast, passieren dir die merkwürdigsten Dinge. Und sie sind nicht nur merkwürdig, sondern auch gefährlich.«
»Aber Adam hat doch überhaupt keinen
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