Schau Dich Nicht Um
schnell«, erklärte sie, doch die Entschuldigung klang sogar in ihren eigenen Ohren ziemlich lahm.
»In Chicago gibt es viele weiße Chrysler«, sagte Don, und sie
nickte. »Aber ich prüfe das nach, ich werde mit meinem Mandanten sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er so kurz vor dem Prozeß so etwas Dummes tun würde.«
»Ich kann nur hoffen, du hast recht.«
Jess hörte Trishs Lachen, sah, wie sie ihren Arm um Dons Mitte legte, ihn wieder für sich beanspruchte. Sie wandte sich ab, und der Saal drehte sich mit ihr. Eine junge Frau mit einem großen Kassettenrecorder in den Händen näherte sich zielstrebig der Geburtstagsgesellschaft. Irgend etwas stimmte nicht an ihr. Sie wirkte unecht, fehl am Platz. Das dickaufgetragene Make-up hatte etwas Verzweifeltes, als wollte sie verbergen, wer sie wirklich war. Ihre Beine wakkelten unsicher auf den viel zu hohen Absätzen. Ihr Trenchcoat war abgetragen und paßte ihr nicht richtig. Und noch etwas glaubte Jess zu sehen, während sie die junge Frau beobachtete, die auf Leo Pameter zuging. Sie sah aus, als hätte sie Angst.
»Leo Pameter?« fragte die Frau. Ihre Stimme klang wie die eines Kindes, das sich verirrt hat.
Leo Pameter nickte mißtrauisch.
Die junge Frau, deren Gesicht von einer Mähne krauser schwarzer Locken umgeben war, schaltete ihren Kassettenrecorder ein, und plötzlich füllte die aufdringlich schwüle Musik einer Stripteaseshow den Raum.
»Alles Gute zum Geburtstag, Leo Pameter!« rief das junge Mädchen. Sie warf ihren Trenchcoat ab und drehte sich hüftewackelnd in Büstenhalter und Höschen, komplett mit Strumpfhalter und Strümpfen zwischen den Tischen.
Die Männer johlten laut, die Frauen lachten peinlich berührt, als die junge Frau aufreizend ihre großen Brüste schüttelte und dann ihre ganze Energie auf das unglückliche Geburtstagskind konzentrierte.
»Du lieber Gott«, stöhnte Jess und senkte ihren Blick in ihr Glas Wein.
»Die sind doch nie im Leben echt«, rief Trish irgendwo neben ihr.
Jess sah erst wieder auf, als die Musik aufhörte. Nackt bis auf ein Tangahöschen stand die junge Frau vor Leo Pameter, der reichlich verlegen aussah. Sie neigte sich ihm zu und drückte ihm einen schallenden Kuß auf die Stirn. »Von Greg Oliver«, sagte sie, dann sammelte sie rasch ihre Sachen ein, warf sich den Mantel um die Schultern und eilte unter dünnem Applaus davon.
»Einfach umwerfend«, murmelte Jess, als Greg Oliver zu ihr trat.
»Nein, umwerfen sollte dich das nicht gleich.« Oliver sah sie herausfordernd an. »Du nimmst das alles viel zu ernst. Du solltest lernen, ein bißchen Spaß zu haben, dich ab und zu mal gehenzulassen, auch mal einen Witz zu erzählen.«
Jess trank den Rest ihres Weins, holte tief Atem und kämpfte gegen das Schwindelgefühl. »Hast du schon von dem Wunderkind gehört, das im Northwestern Memorial Hospital zur Welt gekommen ist?« fragte sie und merkte, daß alle Blicke sich auf sie richteten.
»Wunderkind?« wiederholte Greg, der offensichtlich nicht verstand, was das mit ihm zu tun hatte.
»Ja«, antwortete Jess laut. »Es hat einen Penis und ein Gehirn.«
Der Saal begann sich plötzlich wie wild zu drehen, und Jess ging zu Boden.
»Wirklich, Don, das ist nicht nötig«, beteuerte Jess. »Ich kann mir ein Taxi nehmen.«
»Sei nicht albern. Ich laß dich nicht allein nach Hause fahren.«
»Und was ist mit Mutter Teresa?«
»Trish«, sagte Don mit Betonung, »wartet in meiner Wohnung auf mich.«
»Es tut mir leid, ich wollte dir den Abend nicht vermasseln.«
»Es tut dir gar nicht leid, und du hast mir den Abend nicht vermasselt. Zerbrich dir also nicht den Kopf, sondern steig in den Wagen.«
Jess stieg in den schwarzen Mercedes und hörte, wie die Wagentür hinter ihr geschlossen wurde. Sie drückte sich in das weiche schwarze Leder und schloß die Augen. »Es tut mir wirklich leid«, begann sie von neuem, als Don den Motor angelassen hatte und losfuhr. Aber dann verstummte sie. Er hatte ja recht. Es tat ihr gar nicht leid.
Kaum waren sie losgefahren, hielten sie schon wieder an. Sie hörte, wie eine Autotür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Was denn jetzt? dachte sie und öffnete die Augen.
Sie standen vor ihrem Haus. Don kam auf ihre Seite des Autos herüber, öffnete ihr die Tür und half ihr hinaus.
»Das ist aber schnell gegangen«, hörte sie sich verwundert sagen.
»Glaubst du, du kannst gehen?« fragte Don.
Jess bejahte, obwohl sie überhaupt nicht sicher
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