Schau Dich Nicht Um
zu feiern galt.
Sie nahm sich eine Handvoll kleiner Salzbrezeln und Käsecracker in Form kleiner Fische und schob sie in den Mund, wobei mehrere Fische ihr aus der Hand fielen und vorn auf ihrem braunen Pullover landeten.
»Warten Sie, ich mach das schon«, sagte ein Mann neben ihr in scherzhaftem Ton.
Hastig griff Jess sich mit beiden Händen an die Brust. »Danke, das mache ich lieber selber.«
Der junge Mann hatte einen dicken Hals, kurzgeschorenes blondes Haar und eine breite, gewölbte Brust, über der das grüne Seidenhemd spannte. Er sah aus wie ein Footballspieler.
»Sind Sie Footballspieler?« fragte Jess unwillkürlich.
»Darf ich Sie zu einem Drink einladen, wenn ich ja sage?« fragte er zurück.
Sie lächelte. Er war ganz nett. »Ich erwarte jemanden«, antwortete sie und wandte sich ab. Sie hatte in ihrem Leben keinen Platz für ganz nett.
Was ist eigentlich mit mir los? fragte sie sich und nahm sich noch eine Handvoll Cracker. Jeder sagte ihr, was für eine attraktive Frau sie sei, wie schick, wie klug, wie begabt. Sie war jung. Sie war gesund. Sie war ungebunden.
Sie war seit Monaten nicht mehr mit einem Mann ausgegangen. Sex war ein Fremdwort für sie. Ein Leben außerhalb des Büros gab es nicht für sie. Und da saß dieser nette Junge neben ihr, ein bißchen gigantisch vielleicht für ihren Geschmack, aber dennoch gutaussehend,
und fragte sie, ob er sie zu einem Drink einladen könne, und sie lehnte ab.
Sie drehte sich wieder nach dem jungen Mann um, aber der unterhielt sich bereits angeregt mit einer Frau auf seiner anderen Seite. Na, das ist aber schnell gegangen, dachte Jess und hüstelte hinter vorgehaltener Hand, damit niemand ihr Erröten sah. Was hatte sie sich denn eingebildet? Hatte sie im Ernst daran gedacht, sich von einem wildfremden Kerl anquatschen zu lassen, nur weil er »ganz nett« war und sie ein bißchen einsam? »Eher ein bißchen blöd«, murmelte sie vor sich hin.
»Bitte?« fragte der Barkeeper, aber es war eigentlich gar keine Frage. »Sagten Sie, Sie wollten etwas trinken?«
Jess blickte dem Barkeeper in die unfreundlichen blauen Augen. »Ich nehme ein Glas Weißwein.« Sie stopfte sich noch einmal eine Handvoll Cracker in den Mund.
»Du lieber Gott, wie kannst du nur dieses Zeug essen!« Die Stimme hinter ihr war ihr vertraut.
Mit einem Ruck drehte sie sich herum, ließ einen kleinen Schwarm Fische in den Schoß ihres braunen Rocks fallen und sprang vom Barhocker. »Don! Das ist ja nicht zu fassen.«
Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. Sie war enttäuscht, als er sich gleich wieder von ihr löste.
»Aber es ist auch diesmal kein Zufall, falls du das glauben solltest«, bemerkte er. »Leo und ich haben zusammen studiert. Weißt du noch?«
»Nein, das hatte ich ganz vergessen«, bekannte Jess. Wirklich? Hatte sie nicht vielleicht vermutet, daß Don heute abend hier sein würde? War das nicht wenigstens teilweise ein Grund für ihr Kommen? War er der Mann, auf den sie, wie sie dem vermeintlichen Footballspieler erklärt hatte, gewartet hatte?
»Ich hab gewußt, daß du als erste hier sein würdest. Darum sind wir extra pünktlich gekommen. Um dir Gesellschaft zu leisten.«
Wir? Das Wort traf Jess wie ein Keulenschlag.
»Jess, das ist Trish McMillan«, sagte Don und zog eine hübsche Frau mit kurzem blonden Haar und einem angenehmen Lächeln an seine Seite. »Trish, das ist Jess.«
»Hallo, Jess«, sagte die Frau. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich habe schon eine Menge von Ihnen gehört.«
Jess murmelte irgendeine Floskel. Sie sah nur, daß die Frau Don den Arm um die Taille gelegt hatte.
»Was trinkst du?« fragte Don.
Jess griff hinter sich nach ihrem Glas. »Weißwein.« Sie trank einen tiefen Schluck, schmeckte nichts.
Trish McMillan lachte, und Don strahlte. Jess war verwirrt. Sie hatte nichts Komisches gesagt. Verstohlen blickte sie auf ihren Pullover hinunter, um festzustellen, ob noch irgendwelche verirrten Fische an ihrem Busen hingen. Aber da war nichts. Vielleicht gehörte Trish McMillan zu diesen widerwärtig glücklichen Menschen, die keinen Grund brauchten, um laut heraus zu lachen. Don hatte die Wahrheit gesagt. Ihr Lachen klang wirklich verführerisch und außerdem so, als wüßte sie etwas, von dem der Rest der Welt keine Ahnung hatte; als wüßte sie etwas, von dem Jess keine Ahnung hatte. Wieder hob Jess ihr Glas zum Mund.
»Zweimal den Hauswein«, sagte Don zum Barkeeper. »Ich lade dich ein«, sagte er, als
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