Schau Dich Nicht Um
war. Sie lehnte sich an Don, spürte, wie er ihr den Arm um die Taille legte, und ließ sich von ihm zur Haustür führen.
»Den Rest schaff ich schon allein«, erklärte sie, während er den Schlüssel aus ihrer Handtasche herauskramte.
»Sicher, sicher. Aber du hast doch nichts dagegen, wenn ich hier stehenbleibe, bis du oben bist?«
»Würdest du mir einen Gefallen tun?« sagte sie, als sie im Haus waren und sie an die drei Treppen dachte, die vor ihr lagen.
»Soll ich gehen?«
»Kannst du mich rauftragen?«
Don lachte. Er legte ihren linken Arm über seine Schultern und stützte sie mit seinem Körper. »Jess, Jess, was soll ich nur mit dir machen?«
»Das sagst du bestimmt zu allen Frauen«, murmelte sie, als sie den langsamen Aufstieg begannen.
»Nur zu Frauen namens Jess.«
Was, zum Teufel, war in sie gefahren, daß sie so viel getrunken hatte, fragte sich Jess, während sie sich Schritt für Schritt die Treppe
hinaufschleppte. Sie war Alkohol nicht gewöhnt, trank selten mehr als ein einziges Glas Wein. Was ist eigentlich los mit mir? Ihr fiel plötzlich auf, wie oft sie sich diese Frage in den letzten Wochen gestellt hatte.
»Weißt du«, sagte Jess in Erinnerung an den Spott in Greg Olivers Ton, als er ihr gesagt hatte, sie müßte lernen, Spaß zu haben, »ich habe eigentlich gar nichts gegen Männer. Nur mit Juristen habe ich Probleme.«
»Soll das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein?« fragte Don.
»Und mit Wirtschaftsprüfern«, fügte Jess hinzu, als ihr ihr Schwager einfiel.
Den Rest des Wegs schwiegen sie beide. Als sie endlich die letzte Treppe bewältigt hatten, fühlte sich Jess, als hätte sie den Mount Everest bezwungen. Ihr schlotterten die Knie, und ihre Beine waren wacklig. Don schob den Schlüssel in das Schloß ihrer Wohnungstür. Irgendwo läutete ein Telefon.
»Ist das dein Telefon?« fragte Don und stieß die Tür auf.
Das Läuten wurde lauter, fordernder.
»Geh nicht hin«, sagte Jess. Sie schloß vom Licht geblendet die Augen, als er sie sachte zum Sofa hinunterließ.
»Warum nicht?« Er schaute zur Küche, wo das Telefon immer noch läutete. »Es könnte doch was Wichtiges sein.«
»Ist es aber nicht.«
»Weißt du denn, wer es ist?«
»Mein Vater«, antwortete Jess. »Er möchte sich mit mir verabreden, um mir seine neue Freundin vorzustellen.« Aber ich hab für einen Abend genug neue Freundinnen gesehen, dachte sie, sagte es jedoch nicht.
»Dein Vater hat eine Freundin?«
»Scheint so«, antwortete Jess und kuschelte sich tiefer in ihr Sofa. »Ich bin fürchterlich«, klagte sie. »Warum kann ich mich nicht einfach für ihn freuen?«
Immer noch läutete das Telefon. Dann hörte es plötzlich auf. Sie öffnete erleichtert die Augen. Aber wo war Don?
»Hallo«, hörte sie ihn in der Küche sagen und glaubte einen Moment lang, es sei jemand in die Wohnung gekommen. »Tut mir leid«, fuhr er fort. »Ich kann Sie nicht verstehen. Können Sie etwas langsamer sprechen?«
»Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht hingehen«, rief Jess. Sie lief auf wackligen Beinen in die Küche und streckte die Hand nach dem Telefon aus.
Don reichte ihr den Hörer und schüttelte den Kopf. »Es ist eine Frau, aber ich verstehe nicht ein Wort von dem, was sie sagt. Sie hat einen unheimlich starken Akzent.«
Jess fühlte, wie die Nüchternheit an ihrem Bewußtsein zerrte. Aber ich will nicht nüchtern sein, dachte sie. Sie drückte den Hörer ans Ohr, und noch ehe sie hallo sagen konnte, überfiel die Stimme der Frau sie.
»Entschuldigen Sie, ich verstehe nicht. Was sagen Sie? Wer ist am Apparat?« Eine schreckliche Beklommenheit bemächtigte sich Jess’. »Mrs. Gambala? Sind Sie das, Mrs. Gambala?«
»Wer ist Mrs. Gambala?«
»Connie DeVuonos Mutter«, flüsterte Jess, die Hand auf der Sprechmuschel. »Mrs. Gambala, beruhigen Sie sich doch bitte. Ich kann ja nicht verstehen, was - was? Wie meinen Sie das, sie ist nicht nach Hause gekommen?«
Dem Rest des erregten Wortschwalls lauschte Jess stumm, wie vor den Kopf geschlagen. Als sie auflegte, zitterte sie am ganzen Körper. Sie wandte sich Don zu, der in unausgesprochener Frage die Augen zusammenkniff.
»Connie hat heute nach der Arbeit ihren Sohn nicht bei ihrer Mutter abgeholt«, sagte sie, Entsetzen in jedem Wort. »Sie ist verschwunden.«
7
I ch kann nicht verstehen, wie ich so blöd sein konnte!«
»Jess -«
»So blöd und so verdammt egozentrisch!«
»Egozentrisch? Jess, was redest du da überhaupt?«
»Ich hab
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