Schau Dich Nicht Um
Panzer zulegen muß.«
Das Bild einer enthaupteten Schildkröte drängte sich Jess unversehens auf. »Bei der Municipal Division war ich ein weiteres Jahr«, sagte sie hastig, »dann kam ich zum Untersuchungsgericht. Das war weit interessanter.«
»Wieso war es interessanter?«
»Nun, da muß man richtig ermitteln, da muß man losgehen und mit den Opfern und den Zeugen reden. Man arbeitet ziemlich eng mit der Polizei zusammen. Sehen Sie, die meisten Leute wissen nicht, daß die Polizei niemanden unter Anklage stellen kann. Nur der Staat kann Anklage erheben. Die Polizei ermittelt, aber der Staatsanwalt entscheidet, ob die Beweise ausreichen, um Anklage zu erheben.«
»Da haben Sie zum ersten Mal echte Macht geschmeckt.«
Jess trank wieder von ihrem Wein. »Mein Schwager behauptet, Frauen verlören ihren Sinn für Humor, wenn sie an die Macht kommen.«
»Also, den Eindruck hab ich bei Ihnen wirklich nicht. Wenn Sie Ihren Schwager das nächste Mal sehen, sagen Sie ihm einen schönen Gruß, er soll nicht solchen Scheiß erzählen.«
Jess sah erst das Gesicht ihres Schwagers vor sich, dann ihr kotbeschmiertes Auto. »Würde es Ihnen was ausmachen, wenn wir über etwas anderes sprechen?«
»Sie waren also ein weiteres Jahr im Untersuchungsgericht«, sagte er bereitwillig.
»Sieben Monate genau.«
»Und dann kamen Sie zur Trial Section? «
Jess war überrascht. »Woher wissen Sie das?«
»Was ist denn sonst noch übrig?« fragte er.
»Jedem Richter sind drei Staatsanwälte zugeteilt, im allgemeinen für ein Jahr, manchmal auch länger. Derjenige mit der längsten Dienstzeit ist der Gruppenleiter. Das bin ich.« Jess schwieg und trank den letzten Schluck Wein aus ihrem Glas. »Wie sind wir eigentlich auf dieses Thema gekommen?«
»Ich glaube, ich habe Sie gefragt, wie es Ihnen bei der Staatsanwaltschaft gefällt.«
»Na, Sie können jedenfalls nicht behaupten, ich hätte Ihnen keine
erschöpfende Antwort gegeben.« Jess senkte die Lider. »Tut mir leid, ich wollte nicht so ins Detail gehen. Das ist ein ziemlich trokkenes Thema.«
»Finde ich gar nicht.« Er schenkte ihr Wein nach. »Erzählen Sie mir noch ein bißchen.«
Jess hob ihr Glas zum Mund, froh, ihre Hände beschäftigen zu können. Sie atmete den schweren Duft des Weins und versuchte hinter das warme Braun von Adams Augen zu sehen. Sie fragte sich, ob er an den Einzelheiten ihrer beruflichen Laufbahn tatsächlich so interessiert war, wie es schien. Sie fragte sich, was er wirklich hier tat. Und sie fragte sich, was sie hier tat.
»Hm«, sie zögerte, ehe sie fortfuhr, »ich bin für meine Gruppe voll verantwortlich. Ich übernehme die wichtigen Fälle. Ich entscheide, welche Prozesse ich meinen beiden Mitarbeitern anvertraue. Ich bin so eine Art Lehrerin oder Beraterin, wenn Sie wollen. Und wenn die beiden Mist bauen, bekomme ich den Rüffel. Wenn etwas nicht klappt, trage ich dafür die Verantwortung.«
»Und wie viele Prozesse führen Sie ungefähr im Jahr?«
»Oh, das kommt darauf an, zwischen zwölf und zwanzig würde ich sagen. Das heißt Geschworenenprozesse. Viele Fälle werden einfach vor dem Richter erledigt.« Sie lachte. »Um diese Zeit geht es immer sehr hektisch zu. Da veranstalten die Richter einen regelrechten Wettstreit, welcher von ihnen bis Weihnachten die meisten Fälle erledigen kann.«
Carla brachte ihnen die dampfend heiße Pizza, die mit einer Vielfalt von Gemüsen und Wurstsorten belegt war.
»Die sieht ja toll aus«, bemerkte Adam und schnitt jedem von ihnen gleich ein Stück ab. Lächelnd sah er zu, wie Jess sofort zugriff und herzhaft in ihr Stück hineinbiß.
»Sie sehen aus wie ein kleines Mädchen.« Er lachte.
»Tut mir leid. Ich hätte Sie warnen sollen. Beim Essen benehme ich mich unmöglich. Ich hab überhaupt keine Manieren.«
»Es ist ein Vergnügen, Ihnen zuzusehen.«
»Ich hab nie verstanden, wie jemand eine Pizza mit Messer und Gabel essen kann«, fuhr sie fort. Dann brach sie plötzlich ab und sah ihn verlegen an. »Jetzt werden Sie mir gleich sagen, daß Sie Pizza immer mit Messer und Gabel essen, stimmt’s?«
»Ich würde es nicht wagen.« Adam nahm sein Stück Pizza in beide Hände und führte es zum Mund.
»Schmeckt sie nicht herrlich?«
»Köstlich«, bestätigte er, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Erzählen Sie mir noch ein bißchen was über Jess Koster, die Staatsanwältin.«
»Ich finde, ich hab schon mehr als genug erzählt. In den Büchern steht doch immer, daß die Frauen die
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