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Schau mir ins Herz

Schau mir ins Herz

Titel: Schau mir ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Hope
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Umzugswagen, die Musikkapellen – hat eigentlich auch jeder Ort seine eigene Musikkapelle? – und all die Leute. Normalerweise begegnet man ihnen als Urlauber ja nicht wirklich. Außer den Fremdenführern oder denen, die Souvenirs verkaufen.“
    Als sie das nächste Mal anhielten, ließ Nicolas es sich nicht nehmen, Carol vorzustellen – nicht als Touristin, auch nicht als jemand aus dem Filmteam, sondern als „eine Freundin aus England“. Sie parkten in der Nähe einer prächtigen Kirche, in deren Schatten der Marktplatz lag.
    „Oh!“, rief Carol aus, als ihr nun eine Reihe geschmückter Eselskarren auffiel, die an der Längsseite des Platzes Aufstellung genommen hatten. „Können wir aussteigen und sie uns ansehen?“
    „Selbstverständlich.“ Ihr Enthusiasmus schien Nicolas zu amüsieren. „Ich hatte ohnehin zugesagt, dass ich vor dem Umzug einen Blick darauf werfe.“
    Einen der Eselskarren hatte man in die Arche Noah verwandelt, einen anderen in ein Lebkuchenhaus. Auf einem dritten befand sich ein fantastisches Vogelnest, und wieder ein anderer war zu einem gigantischen Blumenkorb geworden, dessen Henkel über und über mit Blüten besteckt war.
    Der Fahrer half einer Gruppe Kinder, von denen jedes als Blume verkleidet war, nacheinander auf den Karren. Das letzte von ihnen, einen schmächtigen kleinen Jungen, hob Nicolas hoch und brachte ihn sicher auf seinem Platz im Korb unter.
    „Sie mögen Kinder?“ Carol konnte ihre Überraschung nicht ganz verbergen.
    „Sie meinen gekocht, gedünstet oder am Spieß gebraten?“, fragte er lachend zurück. „Wird mir etwa nachgesagt, ich wäre ein Ungeheuer?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Es passt einfach nicht ins Bild.“
    Nicolas wurde ernst. „Ihr Bild von mir oder das von jemand anderem?“
    Ein Mann schob eine fähnchengeschmückte Handkarre an ihnen vorüber. Er verkaufte etwas, das wie kleine Berge von steif geschlagenem Eiweiß aussah und stark nach Mandeln duftete.
    „Was ist das?“, erkundigte Carol sich, froh, das Thema wechseln zu können. „Jeder hier, der jünger ist als zehn, scheint versessen darauf zu sein.“
    „ Prinjolata“, gab Nicolas Auskunft. „Festtagskuchen. Aber bedenken Sie, dass Bilder nur durch jemandes Einbildungskraft entstehen.“
    Carol fühlte sich unbehaglich unter seinem bohrenden Blick. „Ich bin sicher, es interessiert Sie nicht im Mindesten, was die Leute von Ihnen denken.“
    „Es stimmt, die Meinung der Leute ist mir egal. Aber so beunruhigend ich das finde …“, er legte ganz kurz seine Hand auf ihren Arm, „… Ihre Meinung von mir ist mir wichtig.“
    Es war ein glücklicher Zufall, dass in diesem Moment die Kapelle zu spielen begann und das farbenfrohe Kaleidoskop aus Festzugswagen, Tanzgruppen, Musikanten und Maskierten sich in Bewegung setzte. So blieb es Carol erspart, irgendeine nichtssagende Bemerkung zu machen, die darüber hinwegtäuschte, dass ihr Herz bei Nicolas’ flüchtiger Berührung gefährlich ins Stolpern geraten war.
    Fasziniert verfolgte sie das bunte Treiben, das an ihnen vorüberzog. Als der letzte Wagen – Neptuns Streitwagen, gezogen von Seepferden aus Pappmaché – den Marktplatz verlassen hatte, kam eine schwarz gekleidete Gestalt auf sie zu. Carol erkannte sie: Es war die Spitzenklöpplerin aus dem kleinen Haus in der Nähe der Kalypso-Grotte. Nicolas beugte sich zu ihr hinunter und nahm ihre beiden Hände in seine. Die alte Frau warf Carol einen Blick zu und fragte ihn auf Englisch: „Müsstest du nicht im Stadion sein?“ Ihr Ton war tadelnd, beinahe vorwurfsvoll.
    „Du hast recht, wie immer, Ta Dentella“, erwiderte er mit überraschender Sanftmut. „Aber heute übernimmt Mutter diese Pflicht. Du weißt, sie liebt es, die Familie zu repräsentieren, und manchmal empfindet sie meine Gegenwart eher als lästig.“
    „Sie ist stolz auf dich“, sagte die alte Frau, „solange du dich nicht ungebärdiger gibst, als du eigentlich bist.“
    Nicolas warf Carol einen komisch verzweifelten Blick zu. „Da sehen Sie es. Keiner versteht mich. Dabei war Ta Dentella meine Kinderfrau, und sie kennt mich besser als jeder andere hier. Dennoch bin ich für sie immer noch der kleine Junge, dem man Ordnung und gutes Benehmen beibringen muss.“
    Die alte Frau lachte. „Er hat nie getan, was man ihm sagte“, wandte sie sich an Carol. „Nie. Nicht mal, als er …“, sie streckte ihre Hand einen knappen Meter über dem Boden aus, „… so groß war.“
    „Das glaube ich Ihnen

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