Schau mir ins Herz
heiraten, sondern dir diese Ehe aufzuzwingen.“ Seine Stimme war schneidend. „Und zwar auf die hinterhältigste Art und Weise. Einem Mädchen, das ich erst seit ein paar Tagen kenne. Ist das die Story, die du der Presse erzählen wolltest? Deinen Eltern, deinen Freunden?“
Seine Stimme wurde lauter und übertönte ihren Protestlaut.
„Nun, du wirst herausfinden, dass du dir für diese Sorte Spielchen den falschen Mann ausgesucht hast. Wolltest du mich erpressen? Hast du auf eine lukrative Annullierung gehofft? Dein Schweigen gegen eine entsprechende Summe?“
Carol machte den Versuch, etwas zu sagen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Sei still!“, fuhr er sie an. „Ich habe keine Lust, mir deine Lügen anzuhören. Warst du es nicht, die Varelle überzeugte, ich müsse Anthonys Rolle übernehmen? Du hast einfach die Chance genutzt, die sich dir bot, nehme ich an. War Kate eigentlich eingeweiht? Schließlich ist sie eine prima Organisatorin und hätte das alles perfekt deichseln können, nicht wahr?“
Carol konnte ihn nur entsetzt ansehen. Ihre Stimme wollte ihr nicht gehorchen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie buchstäblich sprachlos. Allerdings schien Nicolas auch nicht in der Stimmung, ihr zuzuhören.
„Wenn ich an die ach so bezaubernde Schüchternheit denke, mit der du mir deine Hand entziehen wolltest“, fuhr er verächtlich fort. „Ganz die widerstrebende Braut, die um ihre Freiheit kämpft und sich am Ende in genau die Situation ergibt, auf die sie zielstrebig hingearbeitet hat. Und jetzt diese Tränen, all die überzeugenden Anzeichen von Schwäche … Hätte ich dein Spiel nicht durchschaut, meine Schöne, würde sogar ich darauf hereinfallen. Nein, Kalypso, du hast gelogen: Du bist eine hervorragende Schauspielerin.“
In dem verzweifelten Wunsch, Nicolas’ Zorn nicht an sich herankommen zu lassen, hatte Carol die Augen geschlossen – als könne sie die Verletzungen, die er mit jedem seiner Worte in ihr anrichtete, damit verhindern. Wieder war ihr, als sei sie in einem Albtraum gelandet. Nein, in etwas Schlimmerem als einem Albtraum. Aus einem schlechten Traum erwachte man irgendwann, und dann war er vorbei, und man konnte dankbar sein und erleichtert.
Sie machte die Augen auf. Nicolas hatte sich halb abgewandt. Er goss Wein in ein Glas und hielt es ihr hin.
„Trink das“, befahl er. Seine Stimme war nun ruhig und beherrscht. „Du wirst es brauchen. So viel Ränkeschmieden, so viel Schauspielkunst, sie gereichen dir wirklich zur Ehre. Aber manchmal führt selbst die beste Planung nicht zum Erfolg, meine liebe Kalypso, und in diesem Fall wirst du sehen, dass du mehr erreicht hast, als du wolltest. Also, trink.“
Carol gehorchte.
„Es wird keine Erpressung geben“, fuhr Nicolas fort. „Keinen Skandal. Keine Bezahlung für dein Stillschweigen über eine Angelegenheit, die mich zum Gespött der ganzen Insel machen würde. Keine bequeme Annullierung. Du hast Tatsachen geschaffen, und ich werde damit umgehen – auf meine Weise, nicht wie du es geplant hattest. Du wolltest diese Ehe, und du sollst sie haben. Aber sie wird realer sein, als dir lieb sein dürfte.“
„Ich kann dir nicht folgen“, sagte Carol. Sie versuchte, klar zu denken, doch nach dem Wein war das noch schwieriger als zuvor. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ich weiß nur eins: Egal, was passiert oder passiert ist, ich fahre morgen nach Hause. Etwas anderes kommt gar nicht infrage.“
„Ganz im Gegenteil, meine liebe Kalypso. Oder hast du schon vergessen, dass du meine Frau bist?“
Er lachte auf, und es klang so bitter und hart, dass Carol sich die Hände vors Gesicht schlug.
Sie sah nicht, wie er den Raum verließ. Das Knallen der Tür und das Geräusch sich entfernender Schritte sagten ihr, dass er sie allein gelassen hatte, wenn vielleicht auch nur für einen kurzen Moment. Sie verlor keine Zeit damit, zu ergründen, was er gemeint haben könnte. Ihr einziger Gedanke war es, zu fliehen, und zwar so schnell wie möglich. Diesem Haus zu entkommen, Nicolas’ Zorn und dem, was er plante.
Als sie aufstand, wurde ihr erneut schwindelig. Und auch das schwere Hochzeitskleid, das sie immer noch trug, ließ keine raschen Bewegungen zu. Sie hätte es liebend gern ausgezogen, aber sie konnte es sich nicht leisten, wertvolle Minuten mit dem Öffnen der vielen Verschlüsse zu vergeuden.
Vorsichtshalber raffte sie den steifen Brokatrock, der beim Gehen ein raschelndes Geräusch auf dem Boden
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