Schau mir ins Herz
schildern würde.
„Aber ich weiß nicht, ob er etwas unternehmen wird“, schloss sie.
„Er wird tun, worum Sie ihn bitten“, erklärte die Schneiderin. „Denn der barone muss Sie über alles lieben. Sie haben gerade erst geheiratet und sind so glücklich miteinander. Er wird mit meinem Mann reden, um Ihnen eine Freude zu machen.“
Carol wich Rosarias Blick aus. Sie konnte ihr unmöglich erzählen, dass Nicolas sie nicht liebte und dass er nicht den geringsten Grund sehen würde, ihr einen Gefallen zu tun.
Erst später an diesem Abend, nach der Dinnerparty und nachdem die letzten Gäste gegangen waren, hatte Carol Gelegenheit, ihr Versprechen einzulösen. Anders als sonst, verschwand Nicolas nicht in seinem Arbeitszimmer, sondern blieb im Salon.
Er goss sich Wein nach und prostete ihr ironisch zu. „Wie erfreulich, wenn ein Mann am Ende eines langen Tages die Gesellschaft seiner schönen Ehefrau genießen darf. Einer Ehefrau obendrein, die so wenig Zeit und Aufmerksamkeit von ihm fordert.“
Es kostete Carol Anstrengung, gelassen zu bleiben. „Es scheint für uns beide gut zu passen“, sagte sie unbeteiligt und begann, ihm von ihrer Begegnung mit Rosaria zu erzählen und von der Bitte, die die Schneiderin an sie gerichtet hatte.
Nicolas saß schweigend da und hörte ihr mit unbeweglicher Miene zu.
„Und was denkt sie, wie ich ihr helfen soll?“, fragte er, als Carol geendet hatte. „Glaubt sie, ich kann Wunder tun? Dass ich die Macht habe, einen Mann dazu zu bringen, seine Frau zu lieben? Das ist vergebliche Mühe, meine liebe Carol. Genauso, wie eine Frau dazu zu bewegen, ihren Ehemann zu lieben, wenn sie es nicht tut. Denkst du, ich wäre in der Lage, das zu bewirken?“
Carol schüttelte langsam den Kopf. „Keiner kann das“, sagte sie leise, dann zwang sie sich zu lächeln und fuhr mit aufgesetzter Heiterkeit fort: „Und wenn, wäre es tatsächlich ein Wunder. Es war dumm von mir, dass ich dich mit der Sache belästigt habe, aber sie bat mich so eindringlich, mit dir zu sprechen.“ Rosarias flehentliche Miene stand ihr vor Augen, als sie hinzusetzte: „Sie war sich so sicher, dass du ihr helfen könntest.“
„Und was möchtest du, dass ich tue?“, wollte Nicolas wissen. „Ich bin schließlich kein Feudalherr, meine liebe Menschenfreundin, und wenn er sie nicht liebt, könnte es auch sein, dass es an ihr liegt. Hast du diese Möglichkeit bedacht?“
„Aber er hat eine andere Frau!“
Nicolas lachte, und Carol hätte schwören können, dass es bitter klang. „Manchmal wird ein Mann in die Arme einer anderen Frau getrieben …“
„Ist das so? Getrieben? Und wovon? Von seiner Begierde?“, entfuhr es Carol.
„Was weiß ich. Einer spitzen Zunge. Schlechten Kochkünsten. Noch schlechteren Liebeskünsten. Ein ausgehungerter Ehemann wird immer versuchen, sich in einer fremden Küche zu verköstigen.“
„Das ist das Gefühlloseste, was ich je gehört habe“, gab Carol zurück und sprang auf. „Sogar von dir.“
Er sprang ebenfalls auf und trat vor sie hin. „Du findest mich gefühllos?“, fragte er gefährlich leise. „Ausgerechnet du?“
Carol wandte sich ab, aber Nicolas packte sie grob bei den Schultern und drehte sie zu sich. „Sieh mich an“, verlangte er schroff. „Und sieh dich vor, wenn du mich beschuldigst.“
„Ach ja?“ Wütend reckte Carol das Kinn. „Ich soll mich vorsehen? Warum? Weil du genauso bist wie Rosarias Ehemann? Weil du dich auch in einer fremden Küche verköstigst?“ Noch während sie ihm die Worte an den Kopf schleuderte, spürte sie, wie sein Griff um ihre Schultern schmerzhaft fest wurde.
„Lass mich los!“ Verzweifelt versuchte sie, sich Nicolas zu entwinden. Der Zorn, den sie in seiner Miene las, machte ihr Angst.
„Hast du je in Betracht gezogen, dass auch ich ausgehungert sein könnte?“, fragte er rau, und im nächsten Moment hatte er sie an sich gerissen und ergriff rücksichtslos Besitz von ihrem Mund.
Carol wollte schreien, doch sie bekam kaum Luft. Sie wollte fort von ihm, aber seine Arme hielten sie wie ein Schraubstock. Dieser Nicolas war ein völlig anderer Mann als der, der sie in ihrer Hochzeitsnacht geliebt hatte. In seiner Umarmung spürte sie keinerlei Liebe. Leidenschaft, ja, Begierde – und Hunger. Den Hunger eines Mannes, der seine Bedürfnisse befriedigen musste, komme, was wolle.
Ganz gegen ihren Willen wurde Carol plötzlich klar, dass ihr Körper von dem gleichen Hunger erfüllt war, dass er Nicolas
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