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Schau mir ins Herz

Schau mir ins Herz

Titel: Schau mir ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Hope
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Aufmerksamkeit widmete, war ihr Nicolas’ Anwesenheit nur allzu deutlich bewusst. Sie zwang sich, weder sein Lachen zu beachten, noch die Art und Weise, wie er den Kopf wandte, um seiner Tischnachbarin zu antworten – einer Frau in einem tief ausgeschnittenen schwarzen Kleid, deren Haut so weiß war, dass sie Carol an eine Magnolie erinnerte.
    „Lucia hat es also geschafft, dich für ihr Projekt einzuspannen“, sagte der ältliche Onkel zu ihr. „Wie ich höre, schleppt sie dich durch sämtliche Kunsthandwerksbetriebe.“ Carol erwiderte, dass sie sich gern einspannen ließ, und begann, ihm von Tante Lucias Plänen zu erzählen, doch nach einer halben Minute unterbrach er sie.
    „Ich weiß nicht, wie Nicolas darüber denkt, meine Liebe“, fiel er ihr ins Wort, „aber wenn ich er wäre, würde ich es nicht gerne sehen, dass du so viel Zeit außer Haus verbringst.“
    „Ah ja?“ Mit einiger Anstrengung behielt Carol ihr Lächeln bei. „Er hat mir gegenüber keine Bedenken geäußert.“
    „Die Nachlässigkeit der Jugend“, wischte der Onkel ihren Einwand beiseite – unerträglich selbstgerecht, wie Carol fand. „Ich dagegen, als älteres Mitglied der Familie, will dir einen Rat geben“, fuhr er fort. „Wir haben ein Sprichwort hier auf Gozo, das lautet: ‚Wie die Kerze in die Laterne, so gehört die Frau ins Haus. Altmodisch, aber – verzeih mir – angemessen in deiner Situation.“
    Ich verzeihe dir gar nichts, dachte Carol erbost. „Würdest du es wirklich besser finden, wenn ich däumchendrehend im Haus säße, anstatt Tante Lucia zu helfen?“, fragte sie lauter, als sie beabsichtigt hatte. Alle Köpfe drehten sich zu ihr um, Nicolas betrachtete sie mit leicht amüsierter Miene, und die Frau neben ihm beugte sich vor.
    „Das mit dem Däumchendrehen meinen Sie nicht ernst, oder?“, rief sie aus. „In einem Haus wie diesem gibt es doch Unmengen zu tun! Blumenschmuck arrangieren, Menüs planen, darauf achten, dass das Personal ordentlich arbeitet. Und wenn erst einmal Kinder da sind, werden Sie ohnehin keinen Moment mehr für sich haben.“
    Sie wandte sich Nicolas zu und flüsterte ihm etwas zu. Carol spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen.
    „Glauben Sie, im Leben gibt es nichts anderes, als Blumen zu arrangieren und Kinder zu erziehen?“, fragte sie zurück. Sie merkte, dass sie wütend war, doch es gelang ihr nicht, sich zurückzuhalten. „Tante Lucia tut ihr Bestes, um das zu ändern. Von ihr kenne ich ein anderes Ihrer zahlreichen einheimischen Sprichwörter: ‚Gebt euren Mädchen Brotkrumen und gebietet ihnen, in der Ecke zu bleiben‘. Sind Sie wirklich der Meinung, dass Frauen dorthin gehören? In die Ecke?“
    Die Frau in dem schwarzen Kleid sah sie unter ihren langen Wimpern hervor abschätzig an und antwortete überheblich, dass Ecken etwas für kleine Mädchen und Dummköpfe seien und dass es andere, bessere Plätze für eine Ehefrau gäbe.
    Alle lachten, und für einen kurzen Moment fragte Carol sich, ob die Frau wusste, dass die Tür zwischen ihrem und Nicolas’ Schlafzimmer geschlossen blieb, und sie mit Absicht verhöhnte. Du darfst nicht noch einmal die Beherrschung verlieren, ermahnte sie sich. Konzentrier dich darauf, eine höfliche Gastgeberin zu sein.
    „Sie haben recht“, erwiderte sie lächelnd. „Der perfekte Platz für die perfekte Ehefrau ist ein Sockel, auf dem jedermann sie bewundern kann. Nur … etwas unbequem, finden Sie nicht?“
    Diesmal hatte Carol die Lacher auf ihrer Seite.
    „Ich gratuliere, meine Liebe“, sagte Nicolas, als die Gäste gegangen waren. „Julia Gauci d’Elvidia ist es nicht gewohnt, ihre Wortgefechte zu verlieren.“
    „Ich hoffe, ich war nicht unhöflich.“
    „Jedenfalls nicht mit Absicht“, erwiderte er. „Du konntest nicht wissen, dass sie weit davon entfernt ist, eine perfekte Ehefrau zu sein, und dass es niemandem in den Sinn käme – am allerwenigsten ihrem Gatten –, sie auf einen Sockel zu stellen.“
    Erst später, als sie allein war, fragte Carol sich, wie Nicolas diese Dinge von Julia wissen konnte und ob sie vielleicht seine Geliebte gewesen war. Und wenn schon, sagte sie sich. Nicolas’ Geliebte – und es hat sicher viele gegeben – sind mir egal.
    Sie hatte beschlossen, sich ihm gegenüber kühl und gleichgültig zu geben, und für Eifersucht war kein Platz auf der Skala ihrer Gefühle.

9. KAPITEL
    Die Tage wurden heißer, der Himmel wölbte sich über der Insel wie eine Kuppel aus blauer Emaille.

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