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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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Betrieb, quasi Inspektion, selbstverständlich hatten wir für derartige Arbeiten vollstes Verständnis und machten uns nun leise fluchend an den Aufstieg durchs Treppenhaus. In der richtigen Ebene angelangt, verließen wir das Treppenhaus nach rechts. Vorbei an einer Sammlung mehr oder weniger hübscher Fußmatten gingen wir Richtung WE 14. Durch die Krümmung des Wandelgangs hatte man keine gute Fernsicht, WE 10 Völler, WE 11 Schmitz, WE 11 Labber, zwei Türen weiter, und wir waren am Ziel. Schon beim Näherkommen erkannte ich eine Person vor der Tür von WE 14. Aus dieser Person dröhnte einen Augenblick später folgender verheißungsvoller Satz: »Wir können!« Eigentlich war das ja kein richtiger Satz, dazu bedurfte es schließlich Subjekt, Prädikat und Objekt, aber als imperative Aussage taugte es allemal. Es dauerte einen Moment, bis mein Verstand alle Eindrücke, die gerade auf mich einwirkten, zu einem Gesamtbild zusammengesetzt hatte. Ich stand bei sternenklarer Nacht auf einem Wandelgang im dritten Obergeschoss eines Wohnhauses im Birkenweg 5-7, neben mir stand mit fassungslosem Gesichtsausdruck und leicht verschwitzt mein Kollege Hein, und vor mir stand Herr Schwarz. Herr Schwarz war circa 165 cm groß, circa 110 kg schwer, trug einen schmalen Oberlippenbart und ansonsten Hut und Lodenmantel, farblich aufeinander abgestimmt. Braune Schnürschuhe und ein Herrenledertäschchen rundeten das Gesamtbild ab. Vor mir befand sich ein viel zu fetter Hitler, der im Begriff war, auf die Jagd zu gehen. Ich dachte noch darüber nach, ob wir seine nächtliche Beute werden würden, als seine Stimme sich erneut erhob: »Meine Herren, wir können!« Dabei hatte die Stimme etwas von der Unerbittlichkeit eines Pausengongs in der Schulzeit, dröhnte und röhrte, aber gleichzeitig erinnerte sie an den löchrigen Auspuff eines alten Mercedes 200d. Der nun folgende Dialog spielte sich leider fast wörtlich so ab. Hein: »Was können wir?« Herr Schwarz: »Wir können fahren.« Ich: »Wohin?« Herr Schwarz: »Ins Krankenhaus.« Ich: »Warum?« Herr Schwarz: »Einweisung vom Hausarzt.« Ich: »Weshalb?« Wortlos zog Herr Schwarz den rosafarbenen Einweisungsvordruck aus der Manteltasche und hielt mir den Zettel vor die Nase, wohlgemerkt, ohne die Einweisung aus der Hand zu geben. Eine leichte Unruhe in der Hand von Herrn Schwarz, gepaart mit der krakeligen Schrift des Hausarztes, machte das Entziffern nicht gerade einfach. Ich glaube ja, dass Mediziner absichtlich besonders unleserlich schreiben, um psychisch labile Patienten und Hypochonder nicht durch gut lesbare Diagnosen zu verunsichern oder gar in den sicheren Suizid zu treiben. Ein kaum hörbares - prrröööööött - durchschnitt leise die momentane Stille. Ich hätte es ja zugegeben, war mir aber meiner eigenen Unschuld gewiss, mit anderen Worten: Hein oder Herr Schwarz hatten den Enddarm nicht mehr ganz unter Kontrolle. Da weder meine Augen brannten, noch meine Nase Alarm schlug, konnte es nicht so dramatisch sein - ich las weiter die Einweisung und entzifferte: »V.a. Kolondivertikulose«. Ich möchte den Leser nicht mit medizinischen Fachbegriffen langweilen, den Text der Einweisung aber dennoch kurz erläutern: »V.a.« heißt »Verdacht auf ...« und meint, der Hausarzt hat keinen blassen Schimmer und will sich in seiner Diagnose nicht festlegen. »Kolon« ist lateinisch oder griechisch und heißt »Dickdarm«. »Divertikulose« ist eine Vielzahl von sackförmigen Wandausstülpungen in einem Hohlorgan. Hat man diese Ausstülpungen wie in diesem Fall im Dickdarm, sammelt sich dort gerne Kot, der nicht weitertransportiert wird. Die Scheiße wird knüppelhart, fault dann lustig vor sich hin und wird irgendwann entzündliche Reaktionen hervorrufen. Wieder war ein leises - prrröööööött - wahrzunehmen. Symptome, also Anzeichen für diese Erkrankung, sind diffuse dumpfe Schmerzen im linken Unterbauch, häufiges Völlegefühl und Meteorismus - nein, es fliegen keine Kotsteine mit Lichtgeschwindigkeit aus dem Enddarm, es handelt sich bei Meteorismus um relativ harmlose Blähungen. Meine Fantasie ging wieder mit mir durch, und ich dachte darüber nach, ob unser Patient vielleicht einen Bürostuhl statt über den Müllschlucker über den Magen-Darm-Trakt entsorgen wollte. Ich konzentrierte mich und formulierte folgende Frage: »Sie haben also Probleme mit der Verdauung?« Herr Schwarz dröhnend: »Das können Sie laut sagen!« Prrröööööött - dröhnte es

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