Schaut nicht weg
bewährte kognitiv-behaviorale mit traumaorientierten Techniken kombiniert werden. Zunächst arbeitet der Therapeut mit dem Kind daran, in der Therapie eine Situation äußerer Sicherheit und innerer Stabilität zu schaffen. Erst wenn sich das Kind absolut geschützt fühlt, kann die schonende Begegnung mit der traumatischen Erinnerung erfolgen, im Spiel oder im Gespräch. Ziel ist, dass die Erlebnisse allmählich von den Kindern verstanden und integriert werden können. Am Ende des erfolgreichen Prozesses steht dann die gefühlte Erkenntnis, dass das Erlebte wirklich vorbei ist und das Kind sein Schicksal tragen kann. Die beste Voraussetzung auf Erfolghat eine solche Behandlung übrigens, wenn die Eltern (beziehungsweise das nicht missbrauchende Elternteil) dabei sind und dem Kind unterstützend beistehen. Neben der Traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie stehen aber auch andere Verfahren zur Verfügung und können ebenfalls höchst effektiv sein.
Doch wie findet man den richtigen Therapeuten für sein Kind? Hier ist Vorsicht angebracht, denn auch im Bereich der Psychotherapie gibt es viele schwarze Schafe. Bei der Wahl des Therapeuten sollte man vor allem darauf achten, dass er oder sie eine staatliche Anerkennung besitzt. Denn bis Ende 1998 durfte sich jeder, der es wollte, Psychotherapeut nennen – erst seit 1999 darf dieser Titel nur noch von Ärzten und Diplom-Psychologen geführt werden, die eine wissenschaftlich anerkannte Psychotherapie-Ausbildung absolviert haben. Also: Selbst dann, wenn ein Therapeut schreibt, er betreibe »Psychotherapie«, sich aber nicht direkt »Psychotherapeut« nennt, ist eine adäquate Qualifikation nicht sichergestellt. Gerade im Hinblick auf sexuelle Gewalt und Trauma ist es außerdem wichtig, sich einen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zu suchen, der nicht nur eine anerkannte Psychotherapieausbildung absolviert hat, sondern auch noch explizit über Behandlungserfahrung mit Opfern sexuellen Missbrauchs sowie eine traumatherapeutische Qualifikation verfügt. Vielfach arbeiten in Beratungsstellen entsprechend ausgebildete Psychotherapeuten. Auch niedergelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten kommen infrage. Doch auch hier sollten Eltern sich genau informieren, ob diese über eine traumatherapeutische Zusatzqualifikation verfügen – denn die ist nicht immer Bestandteil selbst einer anerkannten Psychotherapieausbildung. Und schließlich gilt es zu überlegen, ob der infrage kommende Psychotherapeut beziehungsweisedie Psychotherapeutin sympathisch ist. Denn noch wichtiger als die genaue Fachrichtung ist häufig die Passung zwischen Therapeutenpersönlichkeit und Klient. Jeder Klient hat das Recht auf fünf Probesitzungen bei einem infrage kommenden Psychotherapeuten, um festzustellen, ob ein gutes »Arbeitsbündnis« entstehen könnte. Wenn man dann das Gefühl hat, der Psychotherapeut oder die Psychotherapeutin passe nicht zum Kind, dann ist es gut, dem nachzugeben und weiterzusuchen.
»Es belastet mich noch immer«: Wie Erwachsene auch Jahre später noch ihre kindlichen Missbrauchserfahrungen bearbeiten können
Auch als Erwachsene können Betroffene noch eine Vielzahl von Symptomen zeigen. Sie wechseln etwa häufig ihre Arbeitsstellen, um zu verhindern, dass jemand ihnen emotional zu nahe kommt. Sie führen kurzlebige Partnerschaften oder begeben sich in Beziehungen, in denen sie wieder zu Opfern gemacht werden. Sie setzen sich unter massiven sportlichen oder beruflichen Leistungsdruck, leiden an Essstörungen, Suchtproblematiken, Selbstverletzungen, Selbstmordgedanken, Depressionen oder geringen Selbstwertgefühlen. Obwohl sich die meisten sexuellen Übergriffe in der Kindheit ereignen, vergehen oft Jahrzehnte, bis die Opfer professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können. Gerade im Falle nicht aufgedeckter Missbrauchserlebnisse gelingt es vielen Betroffenen erst als Erwachsenen, ihre schrecklichen Erfahrungen zu bearbeiten. Und oft kommen die unterdrückten Geschichten erst dann zum Vorschein, wenn die Betroffenen zum ersten Mal feste Partnerschaften eingehen oder eine Familie gründen wollen, wenn sie sich alsozum ersten Mal wirklich in Beziehungen einlassen oder wenn die neue Familienkonstellation frühe Kindheitserinnerungen auslöst. Vorher war der Verdrängungsmechanismus häufig zu effektiv: Das angstvolle »Schweigen« über die Taten, das vom Täter implantierte Gefühl, mitschuldig zu sein (»Du bist so sexy, da kann ich nicht anders«)
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