Schaut nicht weg
Messenger (73%), Online-Communities (57%), Chats (29%), oder sie versenden E-Mails (49%). Auch »aktive« Anwendungen des Internets im Sinne von Web 2.0 – also die vom Nutzer ausgehende Erstellung von eigenen Inhalten in Form von Text, Bild oder Ton – erfahren gerade bei Jugendlicheneinen Boom, vor allem seit der Freischaltung der Online-Plattform SchülerVZ Ende Februar 2007. So zählen mittlerweile 84 Prozent der jugendlichen Internetnutzer zu den Anwendern von Web 2.0-Aktivitäten: Sie legen Online-Steckbriefe von sich an und laden eigene Bilder und Videos auf ihre Profilseiten hoch. Während wir früher also noch stundenlang mit Schulfreunden telefonierten, hat sich diese Form der »Peer-Group«-Kommunikation teils in die virtuelle Welt verlagert. Mit dem Unterschied, dass hier nicht nur mit engsten Freunden gechattet wird, sondern auch mit weniger guten Bekannten und im Zweifelsfall sogar mit Menschen, die das Kind oder der Jugendliche überhaupt nicht kennt.
Diese Form der Selbstdarstellung und Kommunikation im Netz kann Vor- und Nachteile haben, wie auch die Wissenschaftler der Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest beobachteten: »In einer Lebensphase, in der junge Menschen sich von der Familie abnabeln, sich selbst finden müssen, sich ständig neu ausprobieren, bietet das Internet ›Spielräume‹, wie sie noch keiner Generation vorher zur Verfügung standen. Durch die Vernetzungsmöglichkeiten erweitert sich der persönliche Aktionsrahmen kolossal, er ist nicht mehr nur auf die Klassenstufen der eigenen Schule oder des Sportvereins begrenzt, sondern erlaubt jahrgangs-, schul- oder ortsübergreifend nach interessanten Personen Ausschau zu halten und mit einem relativ hohen Vorwissen auf diese zuzugehen. Allerdings gibt es beim Umgang mit Online-Communities auch Schattenseiten, die meist mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu tun haben. So bestätigen knapp 40 Prozent, dass Fotos ohne ihr Wissen online gestellt wurden. Etwa jeder Fünfte kann von Streitigkeiten oder Ärger im Freundeskreis berichten. Fast genauso vielen ist es schon passiert, dass fehlerhafte oderbeleidigende Angaben einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Und besonders sorgenvoll muss es stimmen, wenn ein Viertel berichtet, dass im Freundeskreis schon einmal jemand von Mobbing in einer Community betroffen war.« Die vermeintliche Sicherheit der eigenen vier Wände und die empfundene Intimität mit dem Chat-Partner verleiten Jugendliche oft dazu, Dinge preiszugeben, die sie im direkten Kontakt wohl nicht erzählt hätten. Mädchen stellen Fotos von sich im Bikini online und wundern sich, dass das Bild kurz darauf auf 15 anderen Seiten auftaucht. Spätestens wenn sie sich dann auf ein Praktikum oder eine Lehrstelle bewerben, kann ihnen ihr frei im Netz flottierendes Bikini-Foto äußerst unangenehm werden. Denn auch Arbeitgeber googlen mittlerweile ihre Kandidaten – das ist meist aber weder den Jugendlichen noch ihren Eltern bewusst. Dabei wäre es so einfach, diese Dinge zu umgehen: Je besser man über das Netz informiert ist und je sicherer man darin unterwegs ist, umso weniger Probleme hat man später. Und doch können wir von 14- oder 15-Jährigen kaum erwarten, all diese Dinge im Kopf zu haben, wenn sie online sind.
Doch nicht nur die unbedachte Selbstdarstellung vieler Jugendlicher im Internet macht mir Sorgen. Eine weitere Gefahr lauert im Netz: Die sexuelle Anmache von Kindern und Jugendlichen in Chatrooms – bei weitem kein Randthema. Viele Pädophile nutzen Chatrooms für ihre Zwecke, indem sie sich als Gleichaltrige ausgeben. »Kriminelle haben ein immer leichteres Spiel, unter Vorspielung falscher Tatsachen wie Altersangaben Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen«, erklärt Dr. Helmut Thoma, Schirmherr der Initiative ›naiin – no abuse in internet‹. »Die Schulen tragen hier eine wichtige Verantwortung. Sie sollten Aufklärung und Prävention betreiben.« In einer Studieder Universität Köln gaben 38 Prozent der befragten Jugendlichen an, bereits gegen ihren Willen in Chatrooms oder »Social Networking«-Plattformen nach sexuellen Dingen gefragt worden zu sein. Mehr als jeder Zehnte bekam unaufgefordert Nacktfotos zugesandt, fünf Prozent erhielten Pornofilme und acht Prozent wurden zu sexuellen Handlungen vor der Webcam aufgefordert. Vor allem »Social Networking«-Plattformen wie SchülerVZ oder MySpace erfreuen sich bei pädokriminellen Erwachsenen
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