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Schaut nicht weg

Schaut nicht weg

Titel: Schaut nicht weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Zu Guttenberg
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auf ihrer Homepage einen deutlichen Brief an den Rapper zu veröffentlichen: »Ja, schon klar, Bushido: Du bist irgendwie zerrissen. Zwischen dieser deutschen, ergebenen Mutter und diesem tunesischen, abwesenden Vater. Der war schwach – aber stark genug, deine Mutter regelmäßig zu verprügeln. Und welche Lehren hastdu Muttersohn daraus gezogen? Die gewalttätigen Männer zu verachten? Nein, im Gegenteil: Du identifizierst dich mit dem Täter! Denn deine Idole sind gewalttätige, ›echte‹ Männer.« Als Mutter zweier Töchter frage ich mich immer wieder: Wie kann es sein, dass so offensichtlich frauenverachtende Männer wie Bushido mit Preisen geehrt und Biopics bedacht werden? Doch die Pornografie mit ihrem fragwürdigen Frauenbild ist längst Bestandteil der Jugendkultur geworden. Sie hat nicht nur Musik, Film und Werbung infiltriert – sondern auch die Jugendsprache. »Pimp«, »Hure« oder »voll porno« sind mittlerweile gängige Begriffe auf Deutschlands Schulhöfen.
    Und natürlich ist auch im Internet die Pornografie allgegenwärtig für Kinder und Jugendliche. Seit pornografisches Material nicht mehr aufwändig auf VHS-Kassetten aus Videotheken besorgt oder als Heftchen am Kiosk bezogen werden muss, sondern über DSL-Leitungen sekundenschnell in Teenagerzimmer übertragen wird, gehört die Pornografie zum Alltag vieler Halbwüchsiger. Besonders beliebt ist das Sexclip-Sammelsurium youporn , dessen Altersbeschränkung leicht zu umgehen ist: Bei der Frage, ob man unter 18 Jahre alt sei, klicken Minderjährige lediglich einmal »nein« und schon sind sie drin – und können sich aus verschiedenen Rubriken den passenden Hardcore-Porno zum Anschauen auswählen. Und das tun sie auch. Fast 80 Prozent der 14- bis 17-Jährigen haben laut Dr.-Sommer-Studie der »Bravo« schon einmal gezielt einen Porno geguckt, meist im Internet. Nicht nur Jungen übrigens – auch die Mädchen holen beim Pornokonsum deutlich auf. »Youporn ist in den Nullerjahren zur Dr.-Sommer-Rubrik 2.0 geworden«, schreibt der Journalist Johannes Gernert in seinem Buch ›Generation Porno: Jugend, Sex, Internet‹. »Viele Teenager machen mit solchen Seiten ihre ersten sexuellenErfahrungen.« Natürlich ist es nicht per se bedenklich, wenn sich Jugendliche im Internet hin und wieder Pornos ansehen. Die meisten Jungen und Mädchen schauen vor allem aus sexueller Neugier und loten so die eigenen Grenzen aus – »Erprobungshandeln« nennt der Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt dieses Verhalten. Während wir früher also verschämt Pornoheftchen in irgendwelchen Schränkchen bei irgendwelchen Eltern, Großeltern oder Bekannten ausfindig machten, gehen die Teenager von heute eben online. Bedenklich stimmt vielmehr die schiere Bandbreite an frei zugänglicher Pornografie, welche das Internet heute Jugendlichen zur Verfügung stellt. Denn Seiten wie youporn halten für fast jede sexuelle Vorliebe den passenden Film bereit – und das kann auf Teenager durchaus eine verstörende Wirkung haben. Bis zum Alter von 16 Jahren haben die meisten Jugendlichen schon Stellungen gesehen, von denen selbst wir womöglich gar nichts wissen wollen. Und auch in zwischenmenschlicher Hinsicht präsentiert der Porno ein stark verzerrtes Bild der Sexualität. Denn im Porno gleicht der Geschlechtsakt nicht nur eher einer Leistungssportart als einer intimen Angelegenheit zwischen Mann und Frau – er transportiert auch merkwürdige Geschlechterrollen. Mädchen werden mit dem Bild konfrontiert, dass Frauen immer wollen, egal wie der Mann aussieht. Und Jungen wird vermittelt, dass die Männer immer können und es kein Problem darstellt, Frauen ins Bett zu kriegen. Für einen Jungen, der gerade mal 13 Jahre alt ist, Akne hat und sich mitten im Stimmbruch befindet, geht dieses Bild ziemlich weit an der Realität vorbei.
    Ganz bestimmt ahnen viele Jugendliche, dass der Sex im Porno künstlich ist. Und sicher entwickelt nicht jeder Teenager, der Bushido & Co hört, eine frauenverachtende Einstellung. Für viele Jugendliche stellen Pornotexte schließlichauch eine prickelnde Grenzüberschreitung dar, bestens geeignet, um Eltern zu provozieren. Dennoch befürchte ich manchmal, dass wir die Macht der Bilder über das Gefühlsleben vieler Kinder und Jugendlichen unterschätzen. Wenn ich in meinem Umfeld erlebe, dass schon neunjährige Mädchen Topmodel-Shows im Fernsehen schauen oder mit Begeisterung vom neuen Videoclip von Lady Gaga – schwarzer Leder-Mieder, Strapse, freie

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