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Schaut nicht weg

Schaut nicht weg

Titel: Schaut nicht weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Zu Guttenberg
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Kindern und Jugendlichen können Experten ausmachen: Die Entstehung eines rückwärtsgewandten Geschlechter-Rollenbildes. »Pornos verfestigten längst überkommen geglaubte Geschlechtermodelle«, weiß die Stuttgarter Kommunikationswissenschaftlerin Petra Grimm. »Sexuell aktive Mädchen werden eher unter dem Etikett Schlampe disqualifiziert, während sexuell aktive Jungen vielmehr unter den – wie wir das ausdrücken – coolen Checker fallen. Hier finden geschlechtsabhängige Bewertungen statt, die in diesem Fall zu Ungunsten der Mädchen gehen.« Auch unter den Mädchen selbst sei mittlerweile ein besorgniserregender Trend zur sexuellen Verdinglichung zu beobachten, glauben viele Wissenschaftler. Gestützt vom »Sexobjekt«-Frauenbild in Popmusik, Werbung und Pornografie begännen viele Mädchen, sich in einem eigenartig positiven Sinne als Sexobjekt zu definieren und dies als eine Form der Selbstbestätigung zu begreifen. Sie zögen also zunehmend Selbstbewusstsein daraus, Jungen als Sexobjekte zu dienen. Ein Besuch im Freibad scheint diese These zu bestätigen: Schon öfters habe ich nun beobachtet, dass sich Mädchen ungeniert in aller Öffentlichkeit von Jungen an die Brüste fassen lassen – und dabei nicht etwa unangenehm berührt, sondern stolz aussehen. Das wäre in meiner Jugend undenkbar gewesen: Da wäre es vielmehr als Demütigung aufgefasst worden, sich in aller Öffentlichkeit von einem Jungen »befummeln« zu lassen. Und ein Blick auf die Straßen an einem regulären Samstagabend zeigt: Kurze Röcke, tiefe Dekolletés, viel nackte Haut sind heute besonders bei sehr jungenMädchen angesagt. Auch bei fünf Grad und Nieselregen. Inzwischen belegen auch verschiedene Studien, wie wichtig es für viele junge Mädchen heute ist, als sexuell attraktiv wahrgenommen zu werden. Ein Team der American Psychological Association um die Psychologin Eileen Zurbriggen führte jüngst Gespräche mit tausenden jungen Mädchen und untersuchte parallel die mediale Darstellung von jungen Frauen in Illustrierten, Filmen, Fernsehen, Videospielen und Musikvideos. Zurbriggen fand heraus, dass für viele Teenager die Sexualität inzwischen einen größeren Wert darstellt als intellektuelle Stärke. »Wir haben eine Vielzahl von Beweisen dafür, dass die Sexualisierung negative Auswirkungen in den verschiedensten Bereichen verursacht«, erklärt die Professorin. »Dazu gehören die Kognition, die seelische und körperliche Gesundheit und die Entwicklung einer gesunden Sexualität.« Vor allem Essstörungen, Depressionen und eine tiefgreifende Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper seien bei jungen Mädchen und Frauen als Folgen der Sexualisierung anzusehen. Zurbriggen fordert, dass die sexualisierten Darstellungen von Mädchen durch Bilder zu ersetzen seien, die Mädchen in einem positiveren Licht in ihrer Einzigartigkeit und mit ihren Fähigkeiten zeigten. Meines Erachtens könnte man hierzulande schon mal damit anfangen, in einigen großen Bekleidungsgeschäften die Stringtangas aus den Regalen für zehnjährige Mädchen zu entfernen. Denn auch damit vermitteln wir unseren Mädchen die Botschaft, dass es bereits als Kind okay ist, sich sexuell aufreizend zu präsentieren.
    Bei dieser Wertschätzung sexualisierter Körperlichkeit stimmt es kaum verwunderlich, dass laut »Dr. Sommer«-Studie 2009 in den letzten drei Jahren bei Jugendlichen die Wahrnehmung des Körpers und die Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen stark gesunken ist. »Vor allem Mädchenbeobachten sich kritischer als in 2006 und sind mit Aussehen, Körper und Gewicht weniger zufrieden«, schreiben die Forscher. »So hat mittlerweile ein Drittel aller Mädchen eine Diät gemacht – obwohl 78 Prozent aller Befragten laut BMI normalgewichtig sind.« Im Übrigen glaube ich, dass Jungen heute in ähnlicher Weise den Druck verspüren, sexy aussehen und einen perfekten Körper darbieten zu müssen. Während in meiner Jugend die Jungen noch entweder Sportlerfiguren oder eben keine Sportlerfiguren hatten, scheint es heute Pflicht, als Junge mindestens einen muskulösen Oberkörper und durchtrainierten Bauch aufweisen zu müssen. Der Druck, als sexuell attraktiv wahrgenommen zu werden, ist also nicht nur für Mädchen, sondern auch für Jungen immens – selbst dann, wenn die Jugendlichen erst 13 oder 14 Jahre alt sind und ihr Interesse an Sexualität gerade erst erwacht. »Sex wird normalisiert, es ist eine neue Form des Exhibitionismus«, glaubt Sharon W. Cooper,

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