Scheherazade macht Geschichten
wieder fand sie die beiden unter ihren Bettüchern auf dem Diwan ausgestreckt.
»Ah«, seufzte der König wohlig, »an dieses Vernaschen könnte ich mich durchaus gewöhnen. Es macht einen Mann glücklich zu wissen, daß er reiten kann.« Er blinzelte erstaunt. »Heh! Hat da jemand etwas vom Reiten gesagt?« Sein zufriedenes Lächeln verwandelte sich in ein bösartiges Grinsen. »Da kann es ja wohl nicht mehr lange dauern, und ich höre auch noch etwas von einer langen Lanze, oder?« Mit zuckender Hand griff er nach seinem Schwert, daß zu aller Glück irgendwo unter den Kleidern auf dem Boden begraben lag.
Das war der Zeitpunkt, an dem Dunyazad einen weiteren bedeutungsvollen Blick ihrer Schwester auffing.
»O Scheherazade!« rief Dunyazad daher wie verabredet. »Ich bitte dich, fahre fort, deine zauberhafte Geschichte zu erzählen, die ich so sehr bewundere!«
Wieder blinzelte König Shahryar, als wäre er erneut aus einem jener kurzfristigen Trancezustände erwacht. »Oh, ja, stimmt ja. Die Geschichte.« Das Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück. »Und vielleicht haben wir nach der Geschichte – ganz sicher aber vor dem Einsatz des Schwertes – noch etwas Zeit fürs Vernaschen.«
»Aber ganz sicher doch, o über alles gepriesener Ehemann«, erwiderte Scheherazade verständnisvoll. »So fahre ich also mit meiner Geschichte fort.«
Und damit begann Scheherazade zu erzählen:
DIE GESCHICHTE
VON DEM HÄNDLER UND DEM DSCHINN
(Die fortgesetzte Fortsetzung)
So geschah es also, daß der ehrenwerte Händler, nachdem er all seine Angelegenheiten in seiner Heimatstadt geregelt hatte, zu jenem Ort zurückkehrte, an dem die letzte Verpflichtung seines Lebens auf ihn wartete – der Tod. Und so setzte er sich also genau an die Stelle, an der er eine Woche zuvor gesessen und so sorglos jene Datteln verspeist hatte, deren achtlos in die Schlucht geworfenen Kerne letztendlich sein Schicksal besiegelt hatten.
Zuerst war von dem rachelüsternen Dschinn jedoch nichts zu sehen. Statt dessen entdeckte der Händler drei Männer, die sich ihm näherten, und zwar aus drei verschiedenen Richtungen. Nur von vorne, wo die breite Schlucht gähnte, kam ihm niemand entgegen. Jeder der Männer führte ein oder zwei Tiere mit sich. Und als diese Männer näher kamen, erkannte der Händler, daß jeder von ihnen ein ehrwürdiger Scheich war.
Nun, der erste dieser Scheichs zog eine grazile Gazelle an einer goldenen Leine hinter sich her. Und der Scheich grüßte den Händler und fragte ihn, auf wen oder was er denn ausgerechnet hier warten würde, denn auf diesem Ort laste doch der Fluch eines äußerst rachelüsternen Dschinns . Und so kam es, daß der Händler schnell seine Geschichte vortrug, die wir ja schon gehört haben.
Als der Händler zu Ende erzählt hatte, kam der zweite Scheich in Rufweite. Dieser Scheich führte zwei große schwarze Windhunde mit sich, die an zwei langen, mit Splittern von Rubinen und Diamanten versehenen Leinen aus kostbarem Leder hinter ihm hertrotteten. Und dieser zweite Scheich rief beiden Männern vor sich eine Warnung zu, versicherte ihnen, daß dies kein geeigneter Platz zum Rasten sei, da hier doch ein Dschinn ganz übler Gesinnung umgehe. Damit war das Stichwort gefallen, und der Händler erzählte rasch noch einmal seine Geschichte, die wir ja nun schon zur Genüge kennen, und daher hätte es wenig Sinn, sie an dieser Stelle noch einmal zu wiederholen.
So fand der dritte Scheich die versammelten Männer und Tiere vor. Er selbst wurde von einer Mauleselin begleitet, deren Zaumzeug mit Gold- und Silberfäden durchwirkt und mit Bändern aus feinster chinesischer Seide zusammengeknüpft war. Der Scheich grüßte all die anderen Männer und machte sie höflich darauf aufmerksam, daß sie sich wohl besser an einem anderen Ort getroffen hätten, denn dieser hier wäre nicht nur von einem Dschinn heimgesucht, nein, in letzter Zeit schiene er auch vom Gestank der verfaulenden Reste von Reisenden erfüllt zu sein, die eben jenem Dschinn als Mahlzeit gedient hätten.
Der Händler – der sich übrigens im stillen fragte, wo denn wohl all diese ehrwürdigen Menschen eine Woche zuvor gesteckt haben mochten, als er ihre Ratschläge besser hätte gebrauchen können – erzählte seine grausame Geschichte ein weiteres Mal, worauf wir hier verzichten, denn zu diesem Zeitpunkt war selbst der Händler all ihrer Einzelheiten mehr als überdrüssig geworden.
Kaum hatte der Händler zum dritten, und wie
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