Scheherazade macht Geschichten
stimmt mit der Waffenkammer nicht!« rief der König bestürzt, »Ich muß das untersuchen.«
»Wie Ihr wünscht«, meinte der Wachposten. Es war derselbe, der Scheherazade und Dunyazad angesprochen hatte. »Doch es ist meine Pflicht, Euch daran zu erinnern, daß Ihr uns für solche Fälle ausdrücklich befohlen habt, uns vor Euch umzusehen.«
Der König blinzelte mehrmals hintereinander, als würden ihm erst jetzt die möglichen Konsequenzen seines Handelns bewußt. »Oh, ja, gewiß. Aber ihr dürft mir nichts verheimlichen.«
Beide Wachen nickten feierlich, als wäre es ihnen nie in den Sinn gekommen, etwas anderes zu tun. Dann bat der Posten, der bisher gesprochen hatte, den König um den königlichen Schlüssel zu dem Schloß, mit dem die Waffenkammer gesichert war. Der König händigte den Schlüssel ohne zu zögern aus, und er schien es mit einiger Erleichterung zu tun.
»Hört ihr die Geräusche da drin?« fragte er.
Die beiden Wachen runzelten die Stirn, denn das Scheppern schien in dem Augenblick aufgehört zu haben, als der König ihnen die Schlüssel gereicht hatte.
»Ich glaube, ich höre eine Ziege und ein Huhn«, meinte der zweite Wachposten, »doch diese Laute scheinen aus einem anderen Raum zu kommen.«
»Nun, egal!« erwiderte der König. »Schließt die Tür auf, und wir werden sehen, was uns dahinter erwartet!«
Jetzt konnte selbst Scheherazade ihre Neugierde nicht mehr zügeln, und als die Wachen die Tür öffneten und der König ihnen über die Schultern sah, da sah sie ihrerseits gespannt dem König über die Schulter.
Der zweite Wachposten hatte sich eine der in der Nähe hängenden Fackeln gegriffen, um das Innere der Waffenkammer auszuleuchten. Die beiden Soldaten standen Seite an Seite und mit gezückten Schwertern im Eingang, aber drinnen schien alles ruhig zu sein. Die zweite Wache hielt die Fackel noch ein wenig weiter in die Kammer hinein, um auch die letzten Schatten darin zu vertreiben.
»Hier ist niemand«, meinte der erste Posten bedächtig, als erwarte er jeden Moment, Lügen gestraft zu werden. »Die Waffen scheinen alle an ihrem Platz zu sein – doch halt! Halte die Fackel etwas näher an den Boden!«
Der zweite Posten tat wie befohlen.
»Da!« rief die erste Wache triumphierend. »Jene drei unvergleichlichen Schwerter, die seit neustem Eure Sammlung schmücken, liegen alle auf dem Boden der Waffenkammer. Und sie stecken auch nicht mehr in ihren Scheiden!«
»Aber wie ist das möglich?« wollte der König wissen. »Ich habe diese Schwerter an einem sicheren Platz ganz oben auf den Regalen verstauen lassen. Und ich habe das persönlich überwacht, bevor ich die Tür wieder abgeschlossen habe.«
»Dennoch«, behauptete der erste Wachposten mit grimmiger Entschlossenheit, »sieht es so aus, als wäre jemand – oder etwas – in dieser Kammer gewesen. Allah sei Dank, daß es oder er es jetzt nicht mehr sind!«
»Könnte es denn sein, daß es einen versteckten Eingang gibt?« fragte Dunyazad über Scheherazades Schulter.
»Niemand kennt alle Geheimgänge dieses uralten Palastes«, antwortete der König. »Aber ich habe ein Dutzend Männer diesen Raum ganz genau durchsuchen lassen, bevor ich ihn zu meiner Waffenkammer machte. Ich bezweifle stark, daß hier jemand durch eine Geheimtür hinein- oder herausgekommen ist.«
Scheherazade konnte nicht länger an sich halten. »Auch wenn ich es nur zögernd tue, so möchte ich doch auf eine Möglichkeit hinweisen. Wenn diese Schwerter nicht auf natürliche Weise aus ihren Scheiden gezogen wurden, dann bedeutet das, daß es auf eine übernatürliche Weise geschehen sein muß.«
Als er dies hörte, legte der König die Stirn in tiefe Falten. »Ich könnte dich jetzt dafür tadeln, daß du deine blühende Phantasie, die du als Geschichtenerzählerin ja schon zur Genüge unter Beweis gestellt hast, mit dir durchgehen läßt, aber ich fürchte, anders läßt sich die Sache tatsächlich nicht erklären. Böse Kräfte müssen in diesem Palast am Werke sein!« Er trat einen Schritt näher auf die beiden Wachen zu, während seine Stimme erneut einen sorgenvollen Klang annahm. »Vielleicht sollte ich diese Schwerter besser eigenhändig untersuchen!«
»Ihr werdet meine Unverschämtheit entschuldigen, o mein König«, widersprach der erste Wachposten erneut, »aber mein Pflichtgefühl verlangt, daß ich mir als erster diese Waffen ansehe. Wenn hier tatsächlich böse Mächte am Werk sind, dann wissen wir nicht, was sie bewirkt haben,
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