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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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soviel Verachtung liegen könnte.
    »Nun, ich denke, mit ein wenig Mühe wird man schon etwas aus diesen Gemächern machen können«, meinte die Sultana mit einer wegwerfenden Handbewegung, bevor sie ihren Blick wieder auf Scheherazade richtete. »Ich hoffe, du wirst lange genug unter uns weilen, um solche Anstrengungen zu rechtfertigen.«
    »Niemand kann sein Schicksal vorhersagen«, erwiderte Scheherazade, die endlich doch die Sprache wiederfand. »Jedoch«, fuhr sie mit honigsüßer Stimme fort, »gestatte ich mir, darauf hinzuweisen, daß Euer Sohn sehr, sehr lange Zeit keine geeignete Frau gefunden hat, und daß ich glücklich bin, auserwählt worden zu sein, diese Leere in seinem Leben zu füllen.«
    »Da muß ich dir leider recht geben«, stimmte ihr die Sultana finster zu. »Nun, die Zukunft wird es zeigen.«
    Die Sultana wollte also keine Geheimnisse über die Vergangenheit ihres Sohnes preisgeben. Da Scheherazade jedoch ihre anfängliche Verwirrung und Überraschung über diesen unerwarteten Besuch inzwischen überwunden hatte, würde es ihr vielleicht gelingen, die alte Frau zur Herausgabe einiger Informationen zu überlisten, indem sie ihr auf geschickte Art und Weise schmeichelte.
    »Doch zurück zu diesen Gemächern«, fuhr die Sultana fort, bevor Scheherazade ein weiteres Wort sagen konnte. Die Mutter des Königs fuhr mit einem Finger über die Lehne eines Diwans und betrachtete voller Ekel den daran haften gebliebenen Staub. »Es sieht mir nicht so aus, als wäre hier in letzter Zeit saubergemacht worden.«
    Als er das hörte, sprang Omar auf seine Füße. »Ich werde das sofort erledigen lassen!« Er verbeugte sich vor der Sultana. »Ich fürchte, diese Räume sind so selten benutzt worden, daß gewisse Sklaven und Diener ihre Pflichten vernachlässigt haben. Ich werde sie augenblicklich auspeitschen lassen!«
    Scheherazade dagegen faßte die Bemerkung der Sultana eher als persönliche Beleidigung auf. Dennoch bemühte sie sich immer noch, freundlich zu bleiben und sich ihren Zorn nicht anmerken zu lassen. »Ich fürchte, meine erste Pflicht war es, Eurem Sohn, unserem geliebten König, Gesellschaft zu leisten«, antwortete sie daher. »Vor dieser Pflicht verblaßt alles andere zu vollkommener Bedeutungslosigkeit.«
    »Nun, ich nehme an, daß dem tatsächlich so ist«, erwiderte die Sultana in einem Ton, der eher dazu angetan war, niedrigere Sklaven oder kleine Haustiere, die man nicht länger mehr mag, abzutun. »Zumindest für diejenigen, die nur für eine Sache Energie aufbringen können und denen es völlig gleichgültig ist, in welchem Zustand sich ihre Umgebung befindet. Seht euch bloß die Flecken auf diesem Seidenkissen da an! Und dann noch die ausgefransten Ränder!«
    »Oh, wie recht Ihr doch habt!« rief Omar übereifrig. Er rieb sich derart schnell die Hände, daß Scheherazade überrascht war, daß sie nicht Feuer fingen.
    »Ein solcher Zustand ist vollkommen unverantwortlich!« führ Omar fort, während er vor der Sultana hin und her schritt. »Daß unser Dienerinnen es so weit haben kommen lassen! Ich werde sie eigenhändig auspeitschen.«
    Doch die Sultana gab sich mit dem Herumnörgeln am Zustand der Gemächer nicht zufrieden. »Und du! Sieh dir deine Gewänder an! Sie sehen aus, als hättest du darin geschlafen.«
    Scheherazade sah an sich hinunter und erkannte, daß sie tatsächlich in ihren Kleidern geschlafen hatte. »Es tut mir leid, wenn Euch Eure Umgebung derartige Sorgen bereitet«, meinte sie, und zum erstenmal verlor ihre Stimme etwas von ihrem freundlichen Ton. »Vielleicht solltet Ihr Eure Besuche in Zukunft ankündigen, so daß wir Gelegenheit haben, alles zu Eurer Zufriedenheit herzurichten.«
    Die Sultana lachte freudlos. »Ich nehme an, dann hättest du endlich etwas anderes zu tun, als dich den ganzen Tag von deinen Dienerinnen verhätscheln zu lassen.«
    Aha, dachte Scheherazade. Die alte Frau kam auf Dienerinnen zu sprechen. Damit bot sich ihr endlich eine Gelegenheit, ihren Verdacht, die Sultana könnte etwas mit dem Verschwinden der Frauen zu tun haben, zu bestätigen. Daher fragte sie folgendes:
    »Ach, über alles verehrte Sultana, in diesem Harem scheint es so gut wie gar keine Diener zu geben, obwohl Dunyazad und ich natürlich die Unterstützung von drei fähigen Frauen haben, wenn wir uns allabendlich auf den Besuch bei Eurem Sohn vorbereiten.«
    Als sie das hörte, wechselte der Gesichtsausdruck der Sultana von verächtlicher Mißbilligung zu unverhohlener

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