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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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denn auch du hast dich ja ausgeruht!« Und dann, nach einem letzten, von Herzen kommenden Lachen, zog er sich zurück, um wie jeden Tag Gericht zu halten.
    Scheherazade war sich nicht ganz klar darüber, ob die letzte Bemerkung des Königs ein Ansporn oder ein Ultimatum gewesen war. Sie beschloß, einfach auf das Beste zu hoffen und das Schlimmste zu erwarten.
    So kam es also, das Scheherazade und Dunyazad in den Harem zurückkehrten, wo sie am großen Eingangstor zu ihren Gemächern von drei Dienerinnen erwartet wurden.
    »Heißt das, das ihr noch eine eurer Schwestern verloren habt?« fragte Scheherazade, bevor eine von ihnen das Wort ergreifen konnte.
    »Oh, es ist noch schlimmer als bei den vorherigen Malen«, wehklagte die älteste Dienerin. »Diese hier hat sich in eine Kuh verwandelt.« Also würden sie bald auch ein gespenstisches Muhen neben dem Meckern und Gackern hören? In der Tat, dies war eine schwerwiegende Neuigkeit. Dennoch wußte sich Scheherazade keinen Rat, wie sie dieses geheimnisvolle Verschwinden ihrer Dienerinnen verhindern, geschweige denn, wie sie ihnen ihre menschliche Gestalt wieder zurückgeben sollte. Konnte es möglicherweise sein, daß in einer der zahlreichen wundersamen Geschichten, die sie bisher in ihrem Leben gehört hatte, beschrieben wurde, wie ein solcher Fluch aufgehoben werden konnte? Unglücklicherweise kam Scheherazade nach einigem Nachgrübeln zu der Erkenntnis, daß ihre Geschichten zwar stets voller unglaublicher Wunder waren, daß aber die Ausbeute, was die Erklärungen solcher Vorkommnisse betraf, eher gering ausfiel.
    »Nun, wir werden diesem Problem unsere besondere Aufmerksamkeit widmen müssen«, meinte Scheherazade in äußerst nüchternem Tonfall. Ihr fiel auf, daß es derselbe Tonfall war, den ihr Vater, der Großwesir, zu Hause immer gebrauchte, wenn es Schwierigkeiten in der Familie gab. Doch so, wie ihre Mutter sie die Kunst des Geschichtenerzählens gelehrt hatte, so hatte sie von ihrem Vater gelernt, daß es selbst für das verzwickteste Problem immer eine Lösung gab. Beide Talente würde sie jetzt gut gebrauchen können.
    Sie drehte sich zur Tür um. »Vielleicht«, so schlug sie den Dienerinnen vor, »solltet ihr euch mit uns in unsere Gemächer zurückziehen, wo wir ungestört weiter über die Sache reden können.«
    »Ich fürchte, o meine Königin, daß wir dort nicht ungestört sein werden«, antwortete die älteste Dienerin. Sie war offensichtlich sehr aufgewühlt. »In Euren Gemächern wartet nämlich Omar auf Euch.«
    Omar? Scheherazade spürte, wie eine überraschend heftige Wut sie packte. Welches Recht hatte dieser einfache Sklave, ohne Erlaubnis die Gemächer der Königin zu betreten?
    »Öffnet die Tür«, befahl sie den Dienerinnen. »Ich habe ein Wörtchen mit Omar zu reden.«
    Die Türen schwangen vor ihr auf, und voller Entschlossenheit betrat sie das angrenzende Zimmer. Ihre Entschlossenheit geriet jedoch augenblicklich ins Wanken, als sie sah, daß Omar nicht alleine war. Er war in Begleitung der Sultana. Beide hielten es nicht für nötig, sich von den Diwanen, auf denen sie sich niedergelassen hatten, zu erheben.
    »Ah, wir haben Eure Rückkehr sehnsüchtig erwartet«, verkündete Omar in höchst salbungsvollem Ton. »Sicherlich vergebt Ihr uns, daß wir es uns inzwischen ein wenig bequem gemacht haben. Ich habe dabei nur an das Wohlergehen unserer geliebten Sultana gedacht, der jedermann doch stets nur Gutes wünschen kann.«
    »Ist das so?« entgegnete Scheherazade. Tapfer versuchte sie, ihre Wut nicht verebben zu lassen, was ihr angesichts des starren Blicks der Sultana jedoch nicht gelang. »Und was führt Euch heute morgen zu mir?« wandte sie sich an die Mutter ihres Gemahls.
    »Ich wollte nur sehen, in welchem Zustand sich eure Gemächer befinden«, antwortete die Sultana, und ihre Stimme verriet, daß dieser ihrer Meinung nach sehr zu wünschen übrigließ. »Mein Sohn war in letzter Zeit nie lange genug mit einer Ehefrau gesegnet, um solche Fragen überhaupt aufkommen zu lassen.«
    Zum erstenmal in ihrem Leben war Scheherazade sprachlos. Doch so unsympathisch ihr diese Frau auch sein mochte, es wäre wohl sehr unklug und alles andere als nützlich gewesen, sie noch mehr gegen sich aufzubringen.
    Die Sultana faßte Scheherazades Schweigen als demütige Zustimmung auf. Erneut ließ sie ihren Blick über die Umgebung schweifen und rümpfte hochmütig die Nase. Nie hätte Scheherazade gedacht, daß in einer so einfachen Geste

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