Scheherazade macht Geschichten
›Ich glaube, ich brauche eine Augenbinde. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn es hier ein wenig leiser zuginge, damit ich meinen Tod auch so richtig genießen kann.‹
Doch der König ließ sich nicht das Wort verbieten. Er schlug die vierte Seite um, und dann die fünfte und die sechste – alle nur unter größten Schwierigkeiten – und schrie: ›Da steht überhaupt nichts in diesem Buch! Weder hier, noch hier, noch hier!‹
›Ganz im Gegenteil, meinte der Doktor, während ihm endlich die verlangte Augenbinde gebracht wurde. ›Dieses Buch wird Euch das größte Geheimnis aller Zeiten offenbaren.‹
›Was meinst du... urk!‹ setzte der König an. ›Welches Geheimnis... ups!‹ Er begann, ganz wild zu zucken, denn zusammen brachten das Pulver und das Papier, wenn man sie nacheinander berührte, das stärkste aller Gifte hervor.
›Ja, auch Ihr werdet sterben‹, sagte der Medicus, ›denn wie sagte einmal ein weiser Mann?
Wenn der unrechte Richter unrecht richtet,
wird recht viel Unrecht hier gescheh'n.
Doch rächt sich dies, und das ist recht,
wenn Gerechtigkeit den unrechten Richter richtet!
Fischers Fritze fängt frische Fische – oh, pardon,
da werf ich etwas durcheinander.
›Urk! Ups!‹ erwiderte der König. ›Reicht es denn nicht, daß ich zum Tode verurteilt bin? Muß ich mir auch noch moralisierende Verse anhören?‹
›Offenbar‹, meinte Rayyan der Medicus, ›wird es Euch nicht mehr vergönnt sein, meine letzten Worte zu vernehmen. Vielmehr scheint mir die Zeit für Eure eigenen letzten Worte gekommen.‹
›In der Tat... ups!... urk!‹ stotterte der König. ›Ich glaube, es ist Zeit, den Großwesir zu töten.‹
Und dann verschied der stolze Herrscher.
Und so geht es allen, die unweisen Ratschlägen folgen‹, beendete der Fischer seine Geschichte.
WIEDER EINMAL GEHT ES ZURÜCK ZUR
GESCHICHTE VOM FISCHER UND DEM,
WAS ER IN SEINEM NETZ FING
›Wenn du mir vorhin wohlgesonnen gewesen wärest‹, fuhr der Fischer an den Ifrit gewandt fort, ›wäre auch ich dir wohlgesonnen, doch da du mich töten wolltest, werde ich dich in das Meer zurückwerfen, wo du für immer verschollen bleiben magst.‹
Doch mit dem Ifrit, der viel über die Geschichten, die er gehört hatte, nachgedacht hatte, schien eine tiefgreifende Wandlung vor sich gegangen zu sein, denn er rief: ›Bei Allahs Güte! Bitte wirf mich nicht in diesen Ozean zurück! Sei großzügig und laß mich frei, statt mich für mein schlechtes Benehmen zu bestrafen! Denn sagt nicht schon der weise Mann: ›Eine Hand wäscht die andere‹? Nein, das paßt nicht ganz. Wie wäre es dann mit: ›Zu viele Köche verderben...‹? Nein, auch nicht richtig. Aber dann vielleicht: ›Was du heute kannst besorgen...‹? Nein, nein, das ganz bestimmt nicht! Ach, ich bin so verzweifelt, daß mir nicht einmal ein passendes Sprichwort einfällt, aber ich bin sicher, daß eseins geben muß!‹
›Ich habe deinen Lügen lange genug zugehört!‹ rief der Fischer. ›Bereite dich auf dein Ende vor!‹
›Nein, tu das nicht‹, rief der Ifrit mit wachsender Angst. ›Denn damit wiederholst du nur das Schicksal von Ankhmar, als er in jenes seltsame Land kam!‹
›Was ist denn das für eine Geschichte?‹ fragte sich der Fischer.
Doch war es der Ifrit, der ihm antwortete:
DIE GESCHICHTE
VON ANKHMAR UND DEM,
WAS ER MIT UMTECHT, DEM SOHN VON KRASNOW,
IN JENEM FERNEN LAND ARKANAWAH TAT, DAS EIN
WENIG WESTLICH VON GOLLOOGALLEE LIEGT
›Aber nein‹, rief der Ifrit unmittelbar darauf. ›Ich kann eine solche Geschichte unter diesen Umständen nicht erzählen!‹
›Und du glaubst, daß ich dir das jetzt noch abnehme?‹ erwiderte der Fischer mit deutlichem Spott in der Stimme. »Außerdem habe ich diesen alten Trick der Geschichtenerzähler, wie du dich sicher erinnern wirst, schon selbst angewandt. Und es ist unmöglich, jemanden übers Ohr zu hauen, der ein Meister im Übers-Ohr-hauen ist. Und als Fischer weiß ich natürlich erst recht, was Anglerlatein ist.‹
Erst jetzt erkannte der Ifrit, daß er seinen Meister gefunden hatte. ›Nun gut. Ich werde dir jede Geschichte erzählen, die du zu hören wünschst! Und ich werde dir Dinge zeigen, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat und die dich zu einem reichen Mann machen werden. Und ich werde zudem noch jeden Eid schwören, daß ich dir nichts antun werde. Aber du mußt mich aus dieser Flasche lassen!‹
Und so kam es, daß der Fischer schließlich doch
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