Scheherazade macht Geschichten
der untreuen Königin auf. Statt dessen lag der Körper des schönen jungen Mädchens vor dem verwirrten König.
Shahryar rief seine Sklaven herbei und ließ die Leiche schnell wegschaffen. Zuerst hätte er ja angenommen, einer Vision zum Opfer gefallen, zu sein, verursacht durch seine große Trauer, doch jetzt glaubte er, unter dem Bann der schwarzen Magie Sulimas zu stehen, jener unersättlich lüsternen Frau, die in der Tat keine Frau mehr war. Diese Wendung der Ereignisse war äußerst beunruhigend, selbst für jemanden mit der majestätischen Gelassenheit, wie Shahryar sie besaß.
Doch welcher König würde schon nach einer einzigen verlorenen Schlacht den ganzen Krieg verloren geben? Shahryar ließ daher erneut den treuen Wesir Aziz rufen und teilte ihm mit, daß es einen kleinen, äußerst unglücklichen Unfall gegeben hätte und der König daher nicht länger mehr mit einer Königin gesegnet sei. Man dürfe das jedoch nicht so schwarz sehen, denn seiner Meinung nach habe eben jenes kleine Mißgeschick eine ganze Menge dazu beigetragen, den Schleier drückender Gedanken, der sich um sein Gehirn gelegt habe, zu lüften.
Daher befahl er Aziz, gleich am nächsten Morgen aufzubrechen, um ein weiteres heiratsfähiges Mädchen für den König zu finden. Shahryar würde sich dann noch am selben Abend erneut vermählen und eine Verbindung eingehen, die ganz zweifellos von viel befriedigenderer und längerer Dauer sein würde.
So brach der Großwesir also am folgenden Morgen auf und machte ein zweites Mädchen in heiratsfähigem Alter aus einer sehr respektablen Familie ausfindig. Und am folgenden Abend fand die Hochzeit und die anschließende Feier statt, die jedem klar vor Augen führte, daß Shahryar endlich wieder eine Königin gefunden hatte. Schließlich führte der König seine neue Braut in die Brautgemächer, doch noch während die Sklaven damit beschäftigt waren, ihm aus seinen zahlreichen Hochzeitsgewändern herauszuhelfen, hörte er nah an seinem Ohr eine äußerst vergnügte Stimme sagen: »Wir werden diese Kissen wissen lassen, wozu sie benutzt wurden!« Und eine zweite Stimme fügte noch weitaus lüsterner hinzu: »Es wird Zeit, daß ich noch einmal deine Lanze spüre!«
Noch bevor Shahryar sich der Bewegung seines Armes richtig bewußt wurde, hatte er wieder einmal sein Schwert aus der Scheide gezogen und der Kopf seiner jüngsten Braut jeglichen Kontakt mit deren Schultern verloren.
In diesem Moment erkannte König Shahryar, daß er ein kleines Problem hatte. Nicht nur, daß er eine Braut nach der anderen verlor, nein, auch seine männlichen Bedürfnisse fanden keinerlei Befriedigung. Wenn er schon durch einen unseligen Fluch dazu verdammt war, ein junges Mädchen nach dem anderen zu köpfen, warum konnte er sie dann nicht vorher wenigstens noch vernaschen.
So kam es also, daß der König erneut zu seinem Großwesir sprach und ihm seine Anweisungen gab. Und der König sagte seinem guten Aziz: »Laß uns diese ganze Sache mit dem Heiraten und so vergessen. Ich bitte dich, mir innerhalb der Mauern dieser Stadt ein anderes Mädchen von schöner Gestalt und guten Manieren aufzutreiben. Sie soll meine Gespielin sein, und es wird eine Ehre für sie sein, mir dabei zu helfen, über meinen Gram hinwegzukommen.«
Da jeder Wunsch des Königs sogleich auch der Wunsch des Großwesirs wurde, verließ Aziz zum dritten Male den Palast und fand nach einigem Suchen eine einigermaßen reizvolle junge Frau im heiratsfähigen Alter und aus nicht ganz so respektablen Verhältnissen, denn unter den angesehenen Familien hatte sich die Sache mit den Köpfungen inzwischen herumgesprochen.
Trotz aller Verwicklungen brach schließlich die Nacht herein, wie sie es am Ende eines jeden langen Tages tun muß. Und an diesem Abend fand sich Shahryar, da es ja keine Hochzeit gegeben und man daher keine wertvolle Zeit vergeudet hatte, zu einer viel früheren Stunde als üblich in seinen Gemächern ein. Und auch das junge Mädchen war anwesend, geführt von dem treuen Aziz, der sich gleich darauf rücksichtsvoll zurückzog.
Das Mädchen starrte demütig auf den Boden, als der König sich ihm näherte.
»Zieh deine Gewänder aus«, befahl Shahryar, »denn du sollst von deinem König vernascht werden.«
»So soll es sein, mein Gebieter«, erwiderte sie und begann, ihre Gewänder abzulegen.
Diesmal, so dachte Shahryar, würde alles ganz anders werden als in den Nächten zuvor. Gewiß würde er in dieser Nacht seinen
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