Scheinbar verliebt
Rhythmus, den sie in seiner Kindheit schon gehabt hatten. Doch sein Leben hatte sich verändert. Die Wellen wären immer da, eine Erinnerung an zwei Jungen, die glückliche Wochenenden hier verbracht hatten. Aber Will war tot. Alex konnte ihn im ganzen Haus spüren und er wusste, dass er auch da wäre, wenn er jetzt an den Strand ging.
„Morgen.“ Er griff nach einer Kaffeetasse, die neben seiner Mutter stand.
„Herzlichen Glückwunsch, Liebling.“ Sie küsste seine Wange und lächelte, aber Trauer stand in ihren Augen. „Es ist ein wunderschöner Tag draußen.“
„Ja … das stimmt.“
Seine Mutter hielt ihm die Kaffeekanne entgegen und schenkte ihm ein, während auf dem Herd der Speck brutzelte. „Wir hatten in letzter Zeit kaum Gelegenheit, miteinander zu reden.“ Die Freundlichkeit und Sorge auf ihrem Gesicht waren mehr, als er heute Morgen ertragen konnte. „Alex … wie geht es dir wirklich?“
Diese Frage hätte er ihr eigentlich stellen sollen, aber er war dazu einfach nicht in der Lage gewesen. „Gut.“ Er nahm einen Schluck Kaffee und ignorierte das Brennen, als ihm die heiße Flüssigkeit die Kehle hinunterrann. „Bin sehr beschäftigt. Und versuche, nicht darüber nachzudenken.“
Seine Mutter presste die Lippen zusammen und nickte. „Du weißt, dass wir hier nicht nur über die Nachricht von Wills Tod sprechen. Du bist schon eine ganze Weile lang sehr distanziert.“
„Es ist nichts.“ Nur ein täglicher Krieg in seinem Kopf. „Die Kampagne fordert meine ganze Aufmerksamkeit. Es wird bald besser werden.“
„Und dann?“ Sie legte den Kopf zur Seite und musterte ihren Sohn. „Ich bin stolz auf dich. Wir beide sind stolz auf dich. Aber du bist seit Jahren nicht mehr glücklich.“
„Ich bin absolut zufrieden.“ Er hatte Häuser, Autos und Freunde in jedem Staat. Und eine Wahlkampagne, die sich komplett zu seinen Gunsten gewendet hatte und die zu gewinnen er sich jeden Tag sicherer sein konnte.
„Dein Vater war schockiert darüber, dass du dich so schnell mit Lucy verlobt hast.“ Lachfalten breiteten sich über ihr Gesicht aus. „Aber ich habe ihn daran erinnert, dass er und ich auch nur drei Monate zusammen waren, bevor wir geheiratet haben. Und ein Jahr später hatten wir schon euch beide.“ Sie griff nach einer Gabel und wendete den Schinken. „Wir mögen Lucy, Alex. Du solltest sie öfter mit zu uns bringen.“
Er wusste, dass sie meinte, er solle öfter bei ihnen vorbeikommen.
„Finley ist überzeugt, dass du böse auf uns bist. Ich weiß nicht, wie sie auf diese Idee kommt.“ Hände, die schon so viele Familienfrühstücke vorbereitet hatten, drehten das Gas aus. „Du bist doch nicht böse auf uns, oder?“
„Natürlich nicht.“ Wie konnte er es ihr sagen? Dass etwas ihn seit Jahren verfolgte? Dass er jeden Abend mit Schuldgefühlen und einer Ruhelosigkeit ins Bett ging, die ihm keinen Frieden gönnte.
„Bist du glücklich ? Das ist das Einzige, was uns Sorgen macht.“
Die Anspannung in seiner Brust wurde größer. „Ja. Natürlich.“
„Beschäftigt und glücklich sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.“
Sie klang genau wie sein Vater. Sie verstanden einfach nicht, dass er jeden Tag verzweifelt versuchte, das Glück zu finden. Bei Will hatte das alles so einfach ausgesehen. Aber je mehr Alex versuchte, sich ein Leben zu erschaffen, desto größer wurde die Leere in ihm.
„Ich liebe dich.“ Seine Mutter hatte die Gabel beiseitegelegt und umfing sein Gesicht mit ihren Händen, wie sie es immer getan hatte, als er noch jung war. „Du könntest Pfirsiche am Straßenrand verkaufen und wir wären immer noch stolz auf dich. Aber manchmal frage ich mich …“ Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. „Ich habe einen Sohn verloren … und manchmal fühlt es sich so an, als würde ich den zweiten auch noch verlieren.“
* * *
Die Familie setzte sich an den Tisch im hellblauen Esszimmer. Lucy schüttelte ihre Serviette aus und legte sie auf ihren Schoß, wie Clare es ihr beigebracht hatte. Sie wurde mit einem anerkennenden Lächeln ihrer Großmutter belohnt, die ihr gegenübersaß. Neben Lucy saß, natürlich, ihr lieber Verlobter. Alex wirkte müde und sie hoffte, dass er genauso schlecht geschlafen hatte wie sie. Wahrscheinlich nicht, weil er über ihr Gespräch nachgedacht, sondern weil ihm die mysteriöse Kat die ganze Nacht per Telefon ins Ohr gesäuselt hatte.
Mit dem Rauschen der Wellen als Hintergrundmusik sprach Marcus das Tischgebet. Als
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