Scheinbar verliebt
Abend. Er wollte Zeit mit Lucy verbringen. Auf der Fahrt hierher hatte er entdeckt, dass sie ein wandelndes Kinolexikon war. Sie waren in eine hitzige Debatte geraten, welcher Hitchcock-Film der beste war und Lucy hatte immer wieder argumentiert, dass sie recht hatte, weil in ihrem Lieblingsfilm Cary Grant mitspielte.
Nach ein paar wichtigen Telefonaten, unter anderem mit der Managerin seiner Wahlkampagne, machte Alex sich auf die Suche nach seiner Verlobten.
Er folgte einfach den lauten Geräuschen und dem Kichern und fand sie im Medienraum. Alex lehnte sich in den Türrahmen und genoss das Bild, das sich ihm bot. Auf dem großen Bildschirm waren computeranimierte Rockstars zu sehen, die versuchten, ein Publikum zum Tosen zu bringen. Finley und Clare standen nebeneinander und hatten Gitarren umgehängt. Seine Schwester tanzte auf der Stelle, während auf dem Bildschirm Steven Tyler einen alten Hit schmetterte. Clare fummelte noch etwas hilflos an ihrem Instrument herum, während Lucy und Julian, die auf einem Sofa saßen, jede Bewegung der älteren Frau kommentierten.
Allein nur Lucy zuzusehen, brachte ihn schon zum Lächeln. Sie trug mittlerweile eine Yogahose und ein Supergirl T-Shirt. Er hatte sich mit vielen Models getroffen und exotische Schönheiten ausgeführt. Doch wenn er Lucy so sah, hatte er eine der bezauberndsten Frauen vor sich, die Gott je geschaffen hatte. Ihre blonden Locken flogen in Wogen um sie herum, als sie Clare das „Headbanging“ erklärte. Er fragte sich, ob Lucy überhaupt bemerkte, dass sie ihre Großmutter bereits in ihr Herz gelassen hatte. Sie konnte einfach nicht feindselig und böse sein – das war nicht ihre Art. Das liebte er an ihr. Sogar seine Schwester war Lucys Charme verfallen und benahm sich kurzzeitig einmal nicht so, als befände sie sich im Kampf mit der ganzen Welt.
„Game over, Sahnetörtchen“, sagte Julian. „Jetzt ist Daddy mit Rocken an der Reihe.“
Clare umklammerte die Gitarre. „Ich habe gesagt, dass ich zwei Runden spielen will.“
Julian verdrehte die Augen. „Das kannst du mir nicht antun.“
„Es steht auf meiner To-Do-Liste.“
Julian war von der früheren First Lady nicht im Mindesten beeindruckt. „Genau wie Pierce Brosnan zu küssen, aber diese Dinge werden niemals geschehen.“
„Es ist schon fast Mitternacht“, ging Lucy dazwischen. „Clare, du kannst morgen noch mal spielen.“
„Ich bin schon eine ältere Dame.“ Sie klang so arrogant wie eine Königin. „Wer weiß, ob ich morgen früh noch einmal aufwache?“
„Ich bin gewillt, das Schicksal herauszufordern.“ Julian wollte sich die Gitarre schnappen.
Lucy wandte den Kopf um, während sie lachte. Und ihre Augen trafen auf Alex.
„Oh.“ Er hatte gewusst, dass sie rot werden würde. „Wie lange stehst du schon da?“
Er betrat den Raum. „Lang genug, um Clares Versuch eines Spagats zu sehen.“
Clare zeigte auf die anderen. „Sie haben mir gesagt, das würde jeder Rocker tun.“
Er winkte Lucy zu sich und konnte nur schwer dem Drang widerstehen, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. „Sie haben dich angelogen.“
„Ich bin total fertig“, sagte Lucy. „Ich gehe ins Bett.“
Clare warf ihr nur einen kurzen Blick zu. „Morgen die Revanche?“
Alex ging mit Lucy die Treppe hinauf. Die letzten Tage hatten ihn ausgelaugt. Er hatte sich vor diesem Ausflug gefürchtet. Er hatte Angst davor gehabt, mit seiner Familie hier eingeschlossen zu sein. Die Zeit mit Menschen zu verbringen, die er liebte, aber von denen er nicht wusste, wie er sie glücklich machen konnte. Überall, wo er sich hinwandte, sah er Will.
Er griff nach Lucys Hand. Sie war sanft und stark zugleich. Sie hob ihre blauen Augen zu ihm auf, als sie vor ihrer Zimmertür stehen blieb.
„Danke, dass du mit mir hierhergekommen bist.“ Er war doch ein Meister im Smalltalk und das war nun das Beste, was er zustande brachte? „Ich meine, … ich …“ Es war schrecklich. Der achtzehn Stunden Tag. Sein fehlender Bruder. „Ich bin froh, dass du da bist.“
Ihr Lächeln war zögerlich. „Es war gar nicht schrecklich. Bis jetzt.“
„Morgen ist Tag zwei mit Finley ohne Handy. Der Jüngste Tag wird dagegen wie Disneyland wirken.“
„Alex“, – sie strich ihm die Haare aus der Stirn – „es ist in Ordnung, dass du deinen Bruder vermisst.“
Ein Blitz schien sein Herz zu treffen. Er entzog ihr seine Hand und trat einen Schritt zurück. „Es geht mir gut.“
„Du hast kaum mit deiner Familie
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