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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nachdem die Geräte des Bautrupps einen kleinen Brand ausgelöst hatten und ein Schlafzimmer im Obergeschoss beschädigt worden war. Die Flammen hatten schwarze Spuren an einem Fensterrahmen hinterlassen, und die zerbrochene Scheibe war noch immer mit Sperrholz abgedeckt. Vielleicht war das Feuer eine Warnung, dachte Jane.
Dieses Haus ist nicht freundlich.
    Sie und Gabriel stiegen aus ihrem Mietwagen. Sie waren mit eingeschalteter Klimaanlage gefahren, und die Hitze hier draußen überraschte sie. Jane blieb in der Auffahrt stehen, und sofort traten ihr Schweißperlen auf die Stirn, als sie die schwüle, drückende Luft einatmete. Obwohl sie die Stechmücken nicht sehen konnte, hörte sie ihr Sirren, und als sie sich auf die Wange schlug, erblickte sie frisches Blut auf ihrer Hand. Das war alles, was sie hören konnte: nur das Summen der Insekten. Kein Verkehr, kein Vogelgezwitscher; nicht das leiseste Rauschen in den Baumwipfeln. Es kribbelte in ihrem Nacken, doch es war nicht die Hitze, sondern der plötzliche dringende Wunsch, diesen Ort zu verlassen. Wieder in den Wagen zu steigen, die Türen zu verriegeln und davonzufahren. Sie wollte nicht hineingehen.
    »Na, dann lass uns mal sehen, ob Wardlaws Schlüssel noch passt«, sagte Gabriel und ging auf die Veranda zu.
    Widerstrebend folgte sie ihm die knarrenden Stufen hinauf, wo Grashalme durch die Fugen zwischen den Brettern wuchsen. In Wardlaws Video war es Winter gewesen, die Auffahrt frei von jeglicher Vegetation. Jetzt schlangen sich Ranken um die Geländerpfosten, und eine Pollenschicht lag auf der Veranda wie gelber Schnee.
    An der Tür hielt Gabriel inne und musterte kritisch die Überreste eines Riegels, der offenbar einmal durch ein Vorhängeschloss gesichert gewesen war. »Das ist schon eine ganze Weile hier«, sagte er und deutete auf das verrostete Metall.
    Gitter vor den Fenstern. Ein Vorhängeschloss an der Tür. Nicht als Schutz vor Eindringlingen, dachte sie; dieses Schloss hatte dazu gedient, die Menschen im Haus einzusperren.
    Gabriel steckte den Schlüssel ins Schloss, ruckelte ein wenig herum und stieß gegen die Tür. Mit einem Quietschen gab sie nach, und der Geruch von altem Rauch wehte ihnen entgegen – eine Hinterlassenschaft des Feuers bei den Bauarbeiten. Man kann ein Haus reinigen, die Wände neu streichen, Vorhänge, Möbel und Teppiche ersetzen, aber der durchdringende Brandgeruch bleibt. Gabriel trat ein.
    Nach kurzem Zögern folgte sie ihm. Sie war überrascht, kahle Holzdielen zu erblicken; im Video war ein hässlicher grüner Teppich zu sehen gewesen, der wohl im Zuge der Renovierung entfernt worden war. Das Treppengeländer war kunstvoll geschnitzt, und das Wohnzimmer hatte eine drei Meter hohe Decke mit Stuckleisten – Details, die ihr beim Betrachten des Tatortvideos nicht aufgefallen waren. Die Decke war mit Wasserflecken verunziert, die an dunkle Wolken erinnerten.
    »Das hat jemand gebaut, der Geld hatte«, sagte Gabriel.
    Sie trat an ein Fenster und blickte durch die Gitterstäbe auf den Wald hinaus. Der Nachmittag ging allmählich in den Abend über; es blieb ihnen höchstens noch eine Stunde, dann würde das Tageslicht schwinden. »Es muss ein sehr schönes Haus gewesen sein, als es gebaut wurde«, sagte sie. Aber das war lange her. In einer Zeit vor den grünen Florteppichen und den Gitterstäben. Vor den Blutflecken.
    Sie durchquerten ein Wohnzimmer, aus dem alle Möbel entfernt worden waren. An der Blumentapete hatte der Zahn der Zeit auch schon genagt; sie war fleckig, hing an den Ecken herunter und war vergilbt vom Zigarettenrauch vieler Jahrzehnte. Sie gingen weiter durch das Esszimmer und blieben schließlich in der Küche stehen. Tisch und Stühle waren verschwunden; sie sahen nur noch das abgestoßene Linoleum, rissig und an den Rändern gewellt. Die Nachmittagssonne fiel schräg durch das vergitterte Fenster. Hier ist die ältere Frau gestorben, dachte Jane. In der Mitte dieses Zimmers hat sie gesessen, an einen Stuhl gefesselt, die empfindlichen Finger den Schlägen des Hammers ausgesetzt. Obwohl Jane nur eine leere Küche anstarrte, legte ihre Fantasie das Bild darüber, das sie in dem Video gesehen hatte. Ein Bild, das durch die im Sonnenlicht wirbelnden Staubkörnchen schimmerte und nicht mehr weichen wollte.
    »Gehen wir nach oben«, sagte Gabriel.
    Sie verließen die Küche und hielten am Fuß der Treppe inne. Janes Blick ging zum oberen Treppenabsatz, und sie dachte: Hier ist eine andere gestorben, auf

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