Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Schatten. »He!«, rief sie. »Wo ist denn die Luke zum Dachboden?«
    »Schau mal ins zweite Schlafzimmer.«
    Sie fand die Leiter und erklomm die Sprossen. Als sie den Kopf durch die Öffnung steckte, sah sie den Strahl von Gabriels Maglite die Dunkelheit durchschneiden.
    »Gibt’s hier oben irgendwas?«, fragte sie.
    »Ein totes Eichhörnchen.«
    »Ich meine, irgendwas Interessantes?«
    »Nicht allzu viel.«
    Sie stieg auf den Dachboden und hätte sich fast den Kopf an einem niedrigen Dachsparren gestoßen. Gabriel konnte sich nur geduckt bewegen; die langen Beine angewinkelt, schritt er den Raum im Entengang ab und leuchtete mit der Stablampe in die dunkelsten Winkel.
    »Bleib von der Ecke dort weg«, warnte er sie. »Die Dielen sind verkohlt; ich bin mir nicht sicher, ob der Boden trägt.«
    Sie ging ans andere Ende des Dachbodens, wo ein einzelnes Fenster das letzte graue Tageslicht einließ. Dieses Fenster war nicht vergittert; das war hier auch nicht nötig. Als sie es hochschob und den Kopf hinausstreckte, blickte sie über ein schmales Sims hinweg in die Tiefe. Bei einem Sturz aus diesem Fenster würde man sich sämtliche Knochen brechen. Als Fluchtweg nur für Selbstmordkandidaten geeignet. Sie schob das Fenster wieder zu und blickte schweigend auf die Bäume hinaus.
    Draußen im Wald blitzte ganz kurz ein Licht auf wie ein vorbeihuschendes Glühwürmchen.
    »Gabriel.«
    »Hier ist schon wieder ein totes Eichhörnchen. Wie nett.«
    »Da draußen ist jemand.«
    »Was?«
    »Dort im Wald.«
    Er kam an ihre Seite und starrte in die heranrückende Dämmerung hinaus. »Wo?«
    »Ich habe es gerade eben gesehen.«
    »Vielleicht war es nur ein vorbeifahrendes Auto.« Er wandte sich vom Fenster ab und murmelte: »Verdammt. Meine Batterie gibt den Geist auf.« Er schlug ein paar Mal kräftig gegen seine Lampe. Der Lichtstrahl wurde kurz heller und gleich darauf wieder schwächer.
    Sie starrte immer noch aus dem Fenster auf den Wald, der von allen Seiten näher zu rücken, der sie in diesem Geisterhaus einzuschließen schien. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie drehte sich zu ihrem Mann um.
    »Ich will hier weg.«
    »Hätte ich bloß neue Batterien eingelegt, bevor wir aufgebrochen sind …«
    »Jetzt gleich. Bitte.«
    Plötzlich bemerkte er die Beklemmung in ihrer Stimme.
    »Was ist denn?«
    »Ich glaube nicht, dass es ein vorbeifahrendes Auto war.«
    Er wandte sich wieder zum Fenster um und verharrte reglos. Seine breiten Schultern schoben sich zwischen sie und den letzten schwachen Lichtschein des Tages. Es war sein Schweigen, das sie nervös machte, ein Schweigen, das den Trommelwirbel ihres Herzschlags nur noch stärker anschwellen ließ.
    »Also schön«, sagte er. »Gehen wir.«
    Sie stiegen die Leiter hinunter und gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren, hinaus auf den Flur, vorbei an dem Schlafzimmer, wo der Wandschrank noch Spuren von Blut barg. Und weiter die Treppe hinunter, wo das blank gescheuerte Holz noch immer von Gräueltaten flüsterte. Fünf Frauen waren bereits in diesem Haus gestorben, und niemand hatte ihre Schreie gehört.
    Und unsere würde auch niemand hören.
    Sie stießen die Haustür auf und traten auf die Veranda.
    Und erstarrten, als ein starker Lichtstrahl sie urplötzlich blendete. Jane hob den Arm, um sich vor dem grellen Schein zu schützen. Sie hörte knirschende Schritte auf dem Kies und konnte mit Mühe erkennen, wie drei dunkle Gestalten auf sie zukamen.
    Gabriel trat vor sie – so behände, dass sie überrascht war, als seine Schultern plötzlich den Lichtstrahl abblockten.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, befahl eine Stimme.
    »Könnte ich vielleicht sehen, mit wem ich spreche?«, fragte Gabriel.
    »Identifizieren Sie sich.«
    »Wenn Sie erst mal ihre Taschenlampen runternehmen könnten.«
    »Ihre Ausweise.«
    »Okay. Okay, ich greife jetzt in meine Tasche«, sagte Gabriel mit ruhiger Stimme. Die Vernunft in Person. »Ich bin nicht bewaffnet und meine Frau auch nicht.« Langsam zog er seine Brieftasche heraus und hielt sie hoch. Sogleich wurde sie ihm aus der Hand gerissen. »Mein Name ist Gabriel Dean. Und das ist meine Frau Jane.«
    »Detective Jane Rizzoli«, verbesserte sie. »Boston PD.«
    Sie kniff die Augen zusammen, als der Strahl der Taschenlampe sich unvermittelt auf ihr Gesicht richtete. Obwohl sie keinen der Männer sehen konnte, spürte sie, wie die drei sie eingehend musterten. Spürte, wie ihre Wut anschwoll, während ihre Angst zugleich

Weitere Kostenlose Bücher