Scheintot
haben Abdrücke von zwei großen Sohlenpaaren gefunden, von denen wir annehmen, dass sie von den Tätern stammen. Aber es gab noch weitere Fußspuren. Sie waren kleiner, und sie führten durch die Küche.«
»Vielleicht von den Einsatzkräften?«
»Nein. Als die erste Streife eintraf, lag die Tat schon mindestens sechs Stunden zurück. Das Blut auf dem Küchenboden war fast völlig getrocknet. Aber die kleineren Abdrücke entstanden, als das Blut noch nass war.«
»Von wem stammen sie?«
Wardlaw sah sie an. »Das wissen wir immer noch nicht.«
Jetzt ging der Kameramann die Treppe hinauf; sie konnten das Rascheln der Schuhüberzieher aus Papier auf den Stufen hören. Im oberen Flur schwenkte die Kamera nach links und filmte durch eine offene Tür. Es war ein Schlafzimmer, voll gestellt mit sechs Feldbetten; am Boden lagen Berge von Kleidern, schmutziges Geschirr und eine große Tüte Kartoffelchips. Die Kamera machte einen Schwenk durch den Raum und richtete sich dann auf das Feldbett, in dem Opfer Nummer zwei gestorben war.
»Sieht aus, als hätte sie keine Chance gehabt, auch nur einen Fluchtversuch zu machen«, sagte Wardlaw. »Ist im Bett liegen geblieben, und dort hat sie dann auch die Kugel abbekommen.«
Wieder wanderte die Kamera weiter, drehte sich von den Betten weg und richtete sich auf einen Wandschrank. Durch die offene Tür zoomte sie auf zwei der bedauernswerten Bewohnerinnen, die zusammengesunken nebeneinander lagen. Sie hatten sich in die hinterste Ecke des Wandschranks verkrochen, als hätten sie verzweifelt versucht, sich unsichtbar zu machen. Aber für den Killer waren sie nur allzu gut sichtbar gewesen, als er die Tür aufgerissen und seine Waffe auf ihre gesenkten Köpfe gerichtet hatte.
»Je eine Kugel«, sagte Wardlaw. »Diese Typen waren schnell, präzise und methodisch. Jede Tür wurde geöffnet, jeder Wandschrank durchsucht. Im ganzen Haus gab es kein sicheres Versteck. Die Opfer hatten nicht die geringste Chance.«
Er griff nach der Fernbedienung und spulte vor. Die Bilder tanzten über den Schirm, ein rasend schneller Rundgang durch die anderen Zimmer, gefolgt von einem Sprung durch eine Luke hinauf auf den Dachboden. Dann ein wackliger Rückzug den Flur entlang und die Treppe hinunter. Wardlaw drückte auf PLAY. Die Bewegungen verlangsamten sich wieder, und sie bekamen Esszimmer und Küche zu Gesicht.
»Hier«, sagte er leise und betätigte die Pausetaste. »Das letzte Opfer. Sie hat es am schlimmsten erwischt.«
Die Frau saß auf einem Stuhl, an den sie mit einem Kabel gefesselt war. Die Kugel war unmittelbar über ihrer rechten Augenbraue eingedrungen, und die Wucht des Einschlags hatte ihren Kopf nach hinten geworfen. Sie war mit himmelwärts verdrehten Augen gestorben; im Tod war alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Beide Arme waren vor ihr auf dem Tisch ausgestreckt.
Der blutige Hammer lag noch neben ihren zerschmetterten Händen.
»Ganz offensichtlich wollten sie etwas von ihr«, sagte Wardlaw. »Etwas, was diese Dame ihnen nicht geben konnte oder wollte.« Er sah Jane an, und seine Augen spiegelten die Tortur, die sie alle sich in diesem Moment ausmalten. Der Hammer, der ein ums andere Mal herabfuhr, der Knochen und Gelenke zertrümmerte. Die Schreie, die durch dieses Haus der toten Frauen hallten.
Wardlaw drückte auf PLAY, und der Film lief zu ihrer aller Erleichterung weiter, ließ den blutbefleckten Tisch, das massakrierte Fleisch hinter sich. Immer noch erschüttert, sahen sie schweigend zu, wie das Video sie in ein Schlafzimmer im Erdgeschoss führte, dann weiter ins Wohnzimmer, das mit einer durchgesessenen Couch und einem grünen Florteppich eingerichtet war. Schließlich fanden sie sich wieder in der Diele, am Fuß der Treppe, wo die Reise begonnen hatte.
»Das ist es, was wir dort vorgefunden haben«, sagte Wardlaw. »Fünf weibliche Opfer, alle nicht identifiziert. Es wurden zwei verschiedene Schusswaffen benutzt. Wir gehen von mindestens zwei Tätern aus, die zusammenarbeiteten.«
Und nirgendwo in diesem Haus eine Zuflucht für die Opfer, dachte Jane. Sie musste an die zwei jungen Frauen denken, die in dem Wandschrank gekauert hatten, und sie stellte sich vor, wie ihr Atem zu einem leisen Wimmern geworden war, als sie eng umschlungen dalagen und die knarrenden Schritte langsam näher kamen.
»Sie spazieren da rein und exekutieren fünf Frauen«, sagte Gabriel. »Mit der letzten bringen sie vielleicht eine halbe Stunde in der Küche zu und zerschlagen
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