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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wörtliche Übereinstimmung konnte reiner Zufall sein, dachte sie. Es konnte der Code eines Liebespaares sein, das ein heimliches Stelldichein vereinbarte. Oder eine Drogenübergabe. Höchstwahrscheinlich hatte es nicht das Geringste mit Olena, Joe und Mila zu tun.
    Mit pochendem Herzen griff sie nach dem Telefon und wählte die Nummer aus dem Inserat. Es läutete. Dreimal, viermal, fünfmal. Kein Anrufbeantworter sprang an, keine Stimme meldete sich. Es läutete einfach weiter, bis sie mit dem Zählen nicht mehr mitkam.
Vielleicht ist es der Anschluss einer Toten.
    »Hallo?«, sagte eine Männerstimme.
    Sie erstarrte, die Hand schon ausgestreckt, um den Hörer einzuhängen, und riss ihn sofort wieder ans Ohr.
    »Ist da jemand?«, fragte der Mann. Er klang ungeduldig.
    »Hallo?«, sagte Jane. »Wer ist dort?«
    »Sagen Sie erst mal, wer
Sie
sind. Sie haben doch angerufen.«
    »Es tut mir Leid. Ich, äh – man hat mir diese Nummer gegeben, aber ohne einen Namen dazu.«
    »Na, zu diesem Anschluss gibt’s auch keinen Namen«, erwiderte der Mann. »Das ist ein Münztelefon.«
    »Wo sind Sie?«
    »In einer Telefonzelle in der Faneuil Hall. Ich kam gerade hier vorbei, als ich es läuten hörte. Also, wenn Sie jemand Bestimmten sprechen wollen, kann ich Ihnen leider nicht helfen. Auf Wiedersehen.« Er legte auf.
    Jane starrte die Anzeige an. Diese vier Worte.
    Die Würfel sind gefallen.
    Erneut griff sie zum Telefon und wählte.
    »
Weekly Confidential
«
,
meldete sich eine Frau. »Anzeigenannahme.«
    »Hallo«, sagt Jane. »Ich möchte ein Inserat aufgeben.«
     
    »Du hättest zuerst mit mir reden sollen«, sagte Gabriel. »Ich kann nicht glauben, dass du das einfach auf eigene Faust gemacht hast.«
    »Ich hatte keine Zeit mehr, dich anzurufen«, erwiderte Jane. »Der Anzeigenschluss war heute um siebzehn Uhr. Ich musste mich auf der Stelle entscheiden.«
    »Du weißt ja nicht, wer sich melden wird. Und jetzt wird deine Handynummer in der Zeitung erscheinen.«
    »Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich ein paar Anrufe von Spinnern kriege.«
    »Oder dass du in etwas hineingezogen wirst, was viel gefährlicher ist, als uns bewusst ist.« Gabriel warf die Zeitschrift auf den Küchentisch. »Wir müssen uns an Moore wenden. Das Boston PD kann die Anrufe filtern und überwachen. So etwas muss gründlich durchdacht sein.« Er sah sie an. »Zieh die Anzeige zurück.«
    »Das kann ich nicht. Ich sagte dir doch, es ist zu spät.«
    »Mein Gott. Da schaue ich mal für ein paar Stunden im Büro vorbei, und wenn ich nach Hause komme, muss ich feststellen, dass meine Frau in der Küche gefährliche Telefonspielchen spielt.«
    »Gabriel, es ist doch bloß eine zweizeilige private Kleinanzeige. Entweder beißt jemand an oder eben nicht.«
    »Und was ist, wenn tatsächlich jemand anruft?«
    »Dann lasse ich Moore das machen.«
    »Du
lässt
ihn?« Gabriel lachte auf. »Das ist sein Job, nicht deiner. Du bist noch im Mutterschaftsurlaub, schon vergessen?«
    Wie um seine Worte zu bekräftigen, brach im Kinderzimmer plötzlich lautes Geheul los. Jane ging hin, um ihre Tochter zu holen, und stellte fest, dass Regina sich wie üblich aus der Decke freigestrampelt hatte und mit den Fäustchen fuchtelte, hellauf empört, dass ihre Forderungen nicht augenblicklich erfüllt wurden. Heute kann ich’s keinem recht machen, dachte Jane, als sie Regina aus ihrem Bettchen hob. Sie führte den hungrigen Mund des Babys an ihre Brust und zuckte zusammen, als die zahnlosen Kiefer zubissen. Ich versuche ja, eine gute Mutter zu sein, dachte sie, ich gebe mir wirklich Mühe, aber ich habe es allmählich satt, immer nach saurer Milch und Babypuder zu riechen. Ich habe es satt, ständig müde zu sein.
    Früher hab ich mal böse Buben gejagt, ob du’s glaubst oder nicht.
    Sie trug Regina in die Küche und wiegte sie im Stehen, immer bemüht, sie bei Laune zu halten, auch wenn ihr selbst fast der Kragen platzte.
    »Auch wenn ich könnte, würde ich das Inserat nicht zurückziehen«, sagte sie trotzig. Sie sah zu, wie Gabriel zum Telefon ging. »Wen rufst du an?«
    »Moore. Wir überlassen alles Weitere ihm.«
    »Es ist mein Handy. Meine Idee.«
    »Aber es ist nicht dein Fall.«
    »Ich sage ja gar nicht, dass ich das Kommando haben muss. Ich habe eine bestimmte Uhrzeit und ein bestimmtes Datum genannt. Wie wär’s, wenn wir uns an dem Abend alle drei hier zusammensetzen und abwarten, wer anruft? Du, ich und Moore. Ich will nur
dabei
sein, wenn es

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