Scheintot
vergnügte? Die
Confidential
war ein Frauenblättchen; nur Frauen interessierten sich wirklich für die Alltagsprobleme von Filmstars.
Sie stand auf und warf einen Blick ins Zimmer ihrer Tochter. Regina schlief noch – einer jener seltenen Momente, der allzu schnell wieder vorbei sein würde. Lautlos schloss sie die Tür des Kinderzimmers, und dann schlich sie sich zur Wohnung hinaus und ging den Flur entlang zur Tür der Nachbarwohnung.
Es dauerte ein Weilchen, bis Mrs. O’Brien ihr öffnete, aber sie war sichtlich erfreut, dass jemand sie besuchte. Ganz egal, wer.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte Jane.
»Kommen Sie rein, kommen Sie rein!«
»Ich kann nur ganz kurz bleiben. Ich habe Regina in ihrem Bettchen liegen lassen, und …«
»Wie geht’s ihr? Letzte Nacht hab ich sie wieder weinen hören.«
»Das tut mir wirklich Leid. Sie schläft einfach nicht durch.«
Mrs. O’Brien beugte sich vor und flüsterte: »Whiskey.«
»Wie bitte?«
»Auf einem Schnuller. So hab ich’s immer bei meinen Jungs gemacht, und sie haben geschlafen wie die Engel.«
Jane kannte die beiden Söhne ihrer Nachbarin. Als
Engel
konnte man sie heute nicht mehr unbedingt bezeichnen.
»Mrs. O’Brien«, sagte sie rasch, ehe sie sich noch mehr Rabenmuttertipps anhören musste, »Sie haben doch die
Weekly Confidential
abonniert, nicht wahr?«
»Ich hab die neue gerade heute bekommen. ›Hollywoods verwöhnte Vierbeiner!‹ Haben Sie gewusst, dass Sie in manchen Hotels ein eigenes Zimmer nur für Ihren Hund kriegen?«
»Haben Sie noch irgendwelche Nummern von letztem Monat? Ich brauche die mit Melanie Griffith auf dem Titel.«
»Ich weiß genau, welche Sie meinen.« Mrs. O’Brien winkte sie in ihre Wohnung. Jane folgte ihr ins Wohnzimmer und starrte verblüfft auf die Stapel von Zeitschriften, die sich dort türmten. Das mussten mindestens zehn Jahrgänge von
People, Entertainment Weekly
und
US
sein.
Mrs. O’Brien steuerte schnurstracks auf den richtigen Stapel zu, ging einen Packen
Weekly Confidentials
durch und zog die Nummer mit Melanie Griffith heraus. »O ja, ich erinnere mich, die war
richtig
gut«, sagte sie. »›Pannen und Patzer bei Schönheits-OPs!‹ Falls Sie je darüber nachgedacht haben, sich liften zu lassen, sollten Sie den Artikel lesen. Danach werden Sie es sich garantiert anders überlegen.«
»Könnte ich mir die mal ausleihen?«
»Sie bringen Sie mir aber doch wieder, ja?«
»Ja, natürlich. Nur für ein oder zwei Tage.«
»Ich möchte sie nämlich schon gerne wiederhaben. Ich lese so gerne in den alten Nummern.«
Vermutlich erinnerte sie sich auch an jedes Detail. Zurück an ihrem eigenen Küchentisch warf Jane einen Blick auf das Erscheinungsdatum der Zeitschrift: 20. Juli. Sie war nur eine Woche, bevor man Olena aus der Hingham Bay gefischt hatte, herausgekommen. Jane schlug das Heft auf und begann zu lesen. Erstaunt stellte sie fest, dass es ihr Spaß machte, und sie dachte: Mein Gott, das ist wirklich Käse, aber es ist
amüsanter Käse.
Ich wusste gar nicht, dass
der
schwul ist und dass
die
schon seit vier Jahren keinen Sex mehr hatte. Und seit wann sind Darmspülungen eigentlich der letzte Schrei? Sie nahm sich einen Moment Zeit, um die Desaster der Schönheitschirurgie zu bewundern, und blätterte dann weiter, überflog Artikel zu Themen wie »Erste Hilfe in Modefragen«, »Ich habe einen Engel gesehen« oder »Mutige Katze rettet Familie«. Hatte Joseph Roke sich mit diesem Klatsch befasst, mit den Modetorheiten der Stars? Hatte er die von Schönheitschirurgen entstellten Gesichter betrachtet und sich gedacht:
Ohne mich. Ich will in Würde alt werden?
Nein, natürlich nicht. Joseph Roke war nicht der Mann gewesen, der so etwas las.
Und wie ist die Zeitschrift dann in sein Auto gelangt?
Sie wandte sich den Kleinanzeigen auf den beiden letzten Seiten zu. Hier fanden sich spaltenweise Inserate von spiritistischen Medien, Geistheilern und obskuren Firmen, die Heimarbeit anboten. Gab es tatsächlich Leute, die auf so etwas antworteten? Glaubte irgendjemand im Ernst, man könne »bis zu $250 am Tag« verdienen, indem man zu Hause Prospekte in Umschläge steckte? In der Mitte der Seite begannen die privaten Kleinanzeigen, und ihr Blick blieb plötzlich an einem Inserat hängen, das nur aus zwei Zeilen bestand. Vier wohlbekannte Worte sprangen ihr ins Auge.
Die Würfel sind gefallen.
Darunter eine Uhrzeit, ein Datum und eine Telefonnummer mit der Vorwahl 617. Boston.
Die
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