Scheintot
Crowe sie mit seinen Bemerkungen zur Weißglut. Bis auf die Tatsache, dass Gabriel nun mit im Team war, hatte sich nichts verändert. Es hat mir gefehlt, dachte sie. Trotz Crowe und alldem. Es hat mir gefehlt, so mittendrin im Geschehen zu sein.
Das Klingeln des Telefons überraschte sie, als sie gerade ein Stück Pizza zum Mund führte. Sie schnappte sich eine Serviette, um sich das Fett von den Fingern zu wischen, und warf einen Blick auf die Uhr. Punkt elf. Das Display zeigte eine Bostoner Nummer an. Dieser Anruf kam drei Stunden zu spät.
»Hallo?«, meldete sie sich.
Die Antwort war Schweigen.
»Hallo?«, wiederholte Jane.
»Wer sind Sie?« Es war eine weibliche Stimme, ein kaum hörbares Flüstern.
Jane schrak zusammen. Sie starrte Gabriel an und sah, dass ihm das Gleiche aufgefallen war wie ihr. Die Anruferin spricht mit einem Akzent.
»Ich bin eine Freundin«, sagte Jane.
»Ich kenne Sie nicht.«
»Olena hat mir von Ihnen erzählt.«
»Olena ist tot.«
Sie ist es.
Jane blickte sich am Tisch um und sah in verblüffte Gesichter. Sogar Crowes Oberkörper war nach vorn geschnellt, und seine Miene verriet angespannte Erwartung.
»Mila«, sagte Jane. »Sagen Sie mir, wo wir uns treffen können. Bitte, ich muss mit Ihnen reden. Ich verspreche Ihnen, Sie haben absolut nichts zu befürchten. Wo immer Sie wollen.« Sie hörte ein Klicken, als der Hörer eingehängt wurde.
»
Mist!
« Jane sah Moore an. »Wir brauchen ihren Standort!«
»Habt ihr es schon?«, fragte er Frost.
Frost legte den Hörer des Festnetzapparats auf. »West End. Es ist eine Telefonzelle.«
»Auf geht’s«, sagte Crowe. Er war aufgesprungen und eilte schon zur Tür.
»Bis Sie dort ankommen, ist sie doch längst weg«, sagte Gabriel.
»Eine Streife könnte in fünf Minuten da sein«, meinte Moore.
Jane schüttelte den Kopf. »Keine Uniformen. Wenn sie die sieht, weiß sie sofort, dass es eine Falle ist. Und ich werde nie mehr eine Chance bekommen, mit ihr Kontakt aufzunehmen.«
»Und was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?«, fragte Crowe, der in der Tür stehen geblieben war.
»Ihr die Gelegenheit geben, darüber nachzudenken. Sie hat meine Nummer. Sie weiß, wie sie mich erreichen kann.«
»Aber sie weiß nicht, wer Sie sind«, sagte Moore.
»Und das macht ihr natürlich Angst. Sie will nur auf Nummer Sicher gehen.«
»Aber es kann auch gut sein, dass sie gar nicht mehr anruft«, sagte Crowe. »Das ist vielleicht unsere einzige Chance, sie zu schnappen. Wir sollten keine Zeit verlieren.«
»Er hat Recht«, sagte Moore an Jane gewandt. »Es könnte unsere einzige Chance sein.«
Nach einer Weile nickte Jane. »Also gut. Fahren Sie.«
Frost und Crowe verließen den Raum. Während die Minuten verstrichen, starrte Jane das stumme Telefon an und dachte: Vielleicht hätte ich mit ihnen fahren sollen. Ich sollte da draußen sein und nach ihr suchen. Sie stellte sich vor, wie Frost und Crowe das Labyrinth von Straßen im West End abfuhren, auf der Suche nach einer Frau, deren Gesicht sie nie gesehen hatten.
Moores Handy klingelte, und er griff sofort danach. Schon an seiner Miene konnte Jane ablesen, dass die Neuigkeiten nicht gut waren. Er beendete das Gespräch und schüttelte den Kopf.
»Sie war nicht da?«, fragte Jane.
»Sie haben die Spurensicherung gerufen, um das Telefon nach Fingerabdrücken abzusuchen.« Er sah die bittere Enttäuschung in ihrem Gesicht. »Na ja, immerhin wissen wir jetzt, dass es sie wirklich gibt. Sie lebt.«
»Ja, noch«, sagte Jane.
Auch Cops müssen ab und zu mal Milch und Windeln einkaufen.
Jane stand vor dem Regal des Lebensmittelladens, Regina in ihrem Tragetuch fest an ihre Brust geschmiegt, und ließ den müden Blick über die Dosen mit Babymilchpulver wandern. Sorgfältig verglich sie die Angaben zum Nährstoffgehalt der verschiedenen Marken. Alle versprachen, den täglichen Bedarf eines Säuglings von A bis Zink hundertprozentig zu decken. Jede davon wäre vollkommen in Ordnung, dachte sie, wieso habe ich dann eigentlich ein schlechtes Gewissen? Regina
mag
Fertigmilch. Und ich muss mir dringend wieder den Piepser an den Gürtel klemmen und an die Arbeit gehen. Ich kann nicht ewig nur auf der Couch herumhängen und mir eine Krimiwiederholung nach der anderen reinziehen.
Und ich muss raus aus diesem Laden.
Sie schnappte sich zwei Sechserpacks der erstbesten Babymilchmarke, ging noch rasch zum Regal mit den Windeln und steuerte die Kasse an.
Draußen auf dem Parkplatz war es so
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