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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Geschäften geht.«
    »Du meinst die Tatsache, dass sie in Kriegsgebieten aktiv sind?«
    »Nein«, sagte Lukas. »Sondern die Tatsache, dass sie mit einigen ziemlich zwielichtigen Partnern verbündet sind. Wenn Sie in einem Kriegsgebiet Geschäfte machen, müssen Sie immer auch mit der örtlichen Mafia zusammenarbeiten. Es ist einfach praktischer, wenn man Partner vor Ort hat, und so kommt es, dass Gangster aus diesen Ländern schließlich für Ballentree arbeiten. Für jede Ware gibt es einen Schwarzmarkt – Drogen, Waffen, Alkohol, Frauen. Jeder Krieg bedeutet neue Chancen, einen neuen Markt, und jeder will sich ein Stück vom Kuchen sichern. Deswegen ist der Konkurrenzkampf um Aufträge aus dem Verteidigungsministerium so heftig. Es geht nicht nur um den Auftrag selbst, sondern auch um die Chance, sich an dem entsprechenden Schwarzmarktgeschäft zu beteiligen. Ballentree hat letztes Jahr mehr Aufträge an Land gezogen als irgendein anderes Rüstungsunternehmen.« Er hielt inne.
    »Was zum Teil daran lag, dass Charles Desmond in seinem Job so verdammt gut war.«
    »Und was genau war sein Job?«
    »Er war ihr Dealmaker, ihr Strippenzieher. Ein Mann mit Freunden im Pentagon und vermutlich auch an anderen Stellen.«
    »Hat ihm am Ende nicht viel genützt«, sagte Jane, während sie Desmonds Foto betrachtete. Das Foto eines Mannes, dessen Leiche zehn Tage lang unentdeckt auf seiner Yacht gelegen hatte. Eine so geheimnisvolle Gestalt, dass keiner seiner Nachbarn auf die Idee gekommen war, ihn als vermisst zu melden.
    »Die Frage ist«, sagte Lukas, »warum musste er sterben? Haben seine Freunde im Pentagon sich gegen ihn gewandt? Oder steckt jemand anderes dahinter?«
    Eine Zeit lang sagte niemand etwas. Das Dach flimmerte in der Hitze wie Wasser, und von der Straße wehte Abgasgeruch herauf. Plötzlich sah Jane, dass Regina wach war und das Gesicht ihrer Mutter fixierte.
Fast schon unheimlich, wie viel Intelligenz ich in den Augen meiner Tochter sehe.
Von ihrem Platz aus konnte Jane beobachten, wie eine Frau sich auf einem anderen Dach sonnte. Sie hatte ihr Bikinioberteil aufgebunden, und ihr nackter Rücken glänzte ölig. Jane sah einen Mann auf einem Balkon stehen und mit einem Handy telefonieren sowie ein Mädchen, das an einem Fenster saß und Geige übte. Über ihr am Himmel markierte ein weißer Kondensstreifen die Flugbahn eines Jets. Wie viele Menschen können uns sehen?, fragte sie sich. Wie viele Kameras oder Satelliten sind in diesem Moment auf unser Dach gerichtet? Boston war zu einer Stadt der tausend Augen geworden.
    »Ich bin sicher, dass uns allen schon derselbe Gedanke gekommen ist«, sagte Maura. »Charles Desmond hat früher für den Militärgeheimdienst gearbeitet. Der Mann, den Olena im Krankenhaus erschossen hat, war mit ziemlicher Sicherheit ein Exsoldat, aber seine Fingerabdrücke sind aus dem Archiv gelöscht worden. Jemand hat sich Zugang zu vertraulichen Daten in meinem Institut verschafft. Denken wir da nicht alle an Spionage? Vielleicht sogar an die ›Company‹?«
    »Ballentree und die CIA haben schon immer Hand in Hand gearbeitet«, sagte Lukas. »Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Sie sind in denselben Ländern aktiv, lassen die gleiche Art von Leuten für sich arbeiten. Nutzen die gleichen Informationen.« Er sah Gabriel an. »Und inzwischen tauchen sie sogar schon hier auf, im eigenen Land. Es muss nur irgendjemand behaupten, dass eine terroristische Bedrohung vorliegt, und schon kann die US-Regierung jede beliebige Aktion rechtfertigen, jede beliebige Ausgabe. Immense Geldmittel werden in verdeckte Operationen gepumpt. So kommen Leute wie Desmond zu ihren Yachten.«
    »Oder aber zu Tode«, meinte Jane.
    Die Sonne war weitergewandert und brannte nun schräg unter dem Sonnenschirm hindurch auf Janes Schulter. Der Schweiß rann ihr über die Brust. Es ist zu heiß für dich hier oben, Baby, dachte sie, als sie Reginas rosiges Gesicht betrachtete.
    Zu heiß für uns alle.

32
    Detective Moore warf einen Blick auf die Uhr. Es ging auf acht zu. Das letzte Mal, als Jane im Besprechungsraum der Mordkommission gesessen hatte, war sie im neunten Monat schwanger gewesen, müde und gereizt und mehr als reif für den Mutterschaftsurlaub. Jetzt fand sie sich in demselben Raum wieder, mit denselben Kollegen, nur dass diesmal alles anders war. Eine Spannung war zu spüren, die mit jeder Minute, die verstrich, noch weiter anstieg. Sie saß mit Gabriel gegenüber von Moore, während die

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