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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Eine eiskalte Nacht. Zwei verirrte Frauen auf einer einsamen Landstraße. Natürlich brauchen wir Hilfe.
    Ich stehe nur da und glotze ihn stumm an. Es ist Olena, die das Kommando übernimmt, so, wie sie es immer tut. Im Handumdrehen hat sie sich komplett verwandelt. Ihr Gang, ihre Stimme, die aufreizende Art, wie sie die Hüfte schwingt – Olena setzt ihre ganze Verführungskunst ein. Sie lächelt und sagt in ihrem kehligen Englisch: »Wir hatten eine Autopanne. Können wir bei Ihnen mitfahren?«
    Der Mann betrachtet sie eingehend. Ist er nur vorsichtig? Irgendwie scheint ihm klar zu sein, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Ich bin kurz davor, wieder in den Wald zu flüchten, bevor er die Polizei rufen kann.
    Als er dann schließlich antwortet, ist seine Stimme ausdruckslos und lässt nicht erkennen, dass Olenas Reize ihn irgendwie beeindruckt hätten. »Es ist nicht weit bis zur nächsten Werkstatt. Ich muss dort sowieso tanken, dann frage ich gleich nach einem Abschleppwagen.«
    Wir steigen ein. Olena sitzt vorn, ich kauere mich auf den Rücksitz. Ich habe das Geld, das sie mir gegeben hat, in die Hosentasche gestopft, und jetzt fühlt es sich dort an wie ein glühender Kohleklumpen. Ich bin immer noch wütend, immer noch verletzt von ihrer Grausamkeit. Mit diesem Geld kann ich auch ohne sie klarkommen, ohne irgendeinen Menschen. Und das werde ich auch.
    Während der Fahrt spricht der Mann kein Wort. Anfangs glaube ich, dass er uns einfach nur ignoriert, dass wir für ihn vollkommen uninteressant sind. Dann sehe ich seine Augen im Innenspiegel aufblitzen, und ich merke, dass er mich beobachtet hat, dass er uns beide unentwegt beobachtet. In seinem Schweigen ist er wachsam wie eine Katze.
    Vor uns tauchen die Lichter der Tankstelle auf. Wir biegen von der Straße ab und halten neben der Zapfsäule. Der Mann steigt aus, um zu tanken. Als er fertig ist, sagt er: »Ich frage mal nach dem Abschleppfahrzeug.« Er geht hinein.
    Olena und ich bleiben im Wagen sitzen. Wir sind unsicher, was wir als Nächstes tun sollen. Durch das Fenster können wir sehen, wie unser Fahrer mit dem Kassierer spricht. Er zeigt in unsere Richtung, und der Tankwart greift zum Telefon.
    »Er ruft die Polizei an«, flüstere ich Olena zu. »Wir sollten verschwinden. Am besten hauen wir gleich ab.« Ich packe den Türgriff und will schon aussteigen, als plötzlich ein schwarzes Auto zur Tankstelle abbiegt und direkt neben uns stehen bleibt. Zwei Männer steigen aus, beide dunkel gekleidet. Der eine hat einen weißblonden Bürstenschnitt. Sie sehen uns an.
    Augenblicklich wird mir eiskalt.
    Wir sind im Wagen dieses Fremden gefangen wie Tiere, und nun sind wir von zwei Jägern umzingelt. Der blonde Mann steht direkt vor meiner Tür und starrt zu mir herein; ich kann nur durch das Fenster zurückstarren, in das letzte Gesicht, das die Mutter in ihrem Leben gesehen hat. Und wahrscheinlich auch das letzte Gesicht, das ich je sehen werde.
    Da hebt der Mann ruckartig den Kopf, und sein Blick geht zum Tankstellengebäude. Ich blicke mich um und sehe, dass unser Fahrer gerade herausgekommen ist und auf das Auto zugeht. Er hat für das Benzin bezahlt und steckt seine Brieftasche zurück in die Hosentasche. Dann verlangsamt er seinen Schritt und betrachtet stirnrunzelnd die beiden Männer, die links und rechts von seinem Wagen stehen.
    »Kann ich den Herrschaften irgendwie behilflich sein?«, fragt unser Fahrer.
    Der blonde Mann antwortet: »Sir, dürften wir Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Special Agent Steve Ullman. Federal Bureau of Investigation.«
    Das scheint unseren Fahrer nicht sonderlich zu beeindrucken. Er greift in den Eimer neben der Zapfsäule und nimmt den Gummiwischer heraus. Nachdem er das überschüssige Wasser abgestreift hat, beginnt er, seine schmutzige Windschutzscheibe zu reinigen. »Worüber wollen Sie beide denn mit mir reden?«, fragt er, während er den Wischer über die Scheibe zieht.
    Der Blonde beugt sich zu unserem Fahrer vor und spricht mit gedämpfter Stimme. Ich schnappe die Worte
flüchtige Frauen
und
gefährlich
auf.
    »Und wieso wollen Sie mit mir reden?«, fragt der Fahrer.
    »Das ist doch Ihr Wagen, oder?«
    »Klar.« Unser Fahrer fängt plötzlich an zu lachen. »Ah, jetzt verstehe ich. Falls es Sie interessiert – die beiden da im Wagen sind meine Frau und ihre Cousine. Sehen echt gefährlich aus, finden Sie nicht?«
    Der blonde Mann wirft seinem Partner einen Blick zu. Einen

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