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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Körpers, die beruhigende Vertrautheit seines Dufts. Doch gerade als sie den Arm um seine Taille schlingen wollte, hörte sie das Baby im Nebenzimmer schreien. Oh, bitte, noch nicht jetzt, dachte sie. Es ist doch erst drei Stunden her, dass ich dich gestillt habe. Gib mir noch zwanzig Minuten. Gib mir zehn Minuten. Lass mich nur noch ein bisschen länger in meinem eigenen Bett liegen. Lass mich erst diese bösen Träume abschütteln.
    Aber das Schreien hörte nicht auf, wurde mit jedem neuen Anschwellen der Sirene nur lauter und fordernder.
    Jane stand auf, schlurfte durch das dunkle Schlafzimmer zur Tür und zog sie leise hinter sich zu, um Gabriel nicht zu wecken. Im Kinderzimmer schaltete sie das Licht ein und sah auf ihre rotgesichtige, schreiende Tochter hinab. Erst drei Tage alt, und schon hast du mich an den Rand der totalen Erschöpfung gebracht, dachte sie. Als sie das Baby aus dem Bettchen hob, spürte sie, wie das gierige Mündchen sofort nach ihrer Brust zu suchen begann. Und als Jane sich in den Schaukelstuhl sinken ließ, wurde ihre Brustwarze von den zahnlosen Kiefern wie in einem Schraubstock eingezwängt. Doch die dargebotene Brust konnte die Kleine nur kurze Zeit befriedigen; bald schon begann sie wieder zu zappeln, und so eifrig Jane sie auch knuddelte und hätschelte und wiegte, ihre Tochter wollte sich einfach nicht beruhigen. Was mache ich nur falsch, fragte sie sich, während sie den frustrierten Säugling betrachtete. Warum stelle ich mich nur so ungeschickt an? Selten zuvor hatte Jane sich so überfordert gefühlt. Dieses drei Tage alte Baby ließ in ihr plötzlich den verzweifelten Wunsch aufkeimen, ihre Mutter anzurufen und sie um ihren Rat zu bitten. Sie anzuflehen, ihr jenes Wissen weiterzugeben, das angeblich angeboren war, das Jane aber aus irgendeinem Grund nicht mitbekommen hatte. Hör auf zu schreien, Baby, hör bitte auf zu schreien, dachte sie. Ich bin so müde. Ich will nur zurück in mein Bett, aber du lässt mich nicht. Und ich weiß nicht, wie ich dich zum Schlafen bringen soll.
    Sie hievte sich aus dem Schaukelstuhl hoch und ging im Zimmer auf und ab, wobei sie das Baby auf dem Arm wiegte. Was wollte die Kleine nur? Warum weinte sie immer noch? Jane trug das Baby in die Küche und ruckelte es auf dem Arm, während sie mit vor Erschöpfung benebeltem Blick auf die unaufgeräumte Arbeitsfläche blickte. Sie dachte an ihr Leben vor der Mutterschaft zurück, vor Gabriel. Wenn sie damals von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte sie sich erst einmal ein Bier aufgemacht, sich gemütlich auf die Couch gepflanzt und die Beine hochgelegt. Sie liebte ihre Tochter, und sie liebte ihren Mann, aber sie war so todmüde und wusste nicht, wann es ihr vergönnt sein würde, wieder ins Bett zu kriechen. Die Nacht dehnte sich vor ihr aus wie eine endlose Tortur.
    Ich halte das nicht mehr aus. Ich brauche Hilfe.
    Sie öffnete den Küchenschrank und starrte die Dosen mit Babymilchpulver an – Gratisproben aus dem Krankenhaus. Das Baby schrie noch lauter. Sie wusste sich einfach nicht anders zu helfen. Endgültig demoralisiert griff sie nach einer Dose, schüttete etwas von dem Pulver in ein Fläschchen, gab Wasser dazu und stellte es dann zum Aufwärmen in einen Topf mit heißem Leitungswasser – ein Zeugnis ihrer Niederlage; ein Symbol ihres kompletten Versagens als Mutter.
    Kaum hatte sie der Kleinen das Fläschchen hingehalten, da schlossen sich auch schon die rosigen Lippen fest um den Gummisauger, und das Baby begann ebenso genuss- wie geräuschvoll zu trinken. Kein Schreien und kein Zappeln mehr, nur noch zufriedene Babylaute.
    Wow. Das Wunder aus der Dose.
    Erschöpft ließ sich Jane auf einen Stuhl sinken. Ich geb’s auf, dachte sie, während die Flasche sich rapide leerte. Eins zu null für die Dose. Ihr Blick fiel auf das Buch, das auf dem Küchentisch lag:
Ein Name für unser Baby.
Es war immer noch beim Buchstaben L aufgeschlagen, wo sie die Suche nach einem passenden Mädchennamen zuletzt unterbrochen hatte. Ihre Tochter hatte das Krankenhaus immer noch namenlos verlassen, und ein Gefühl der Verzweiflung überkam Jane, als sie nun nach dem Buch griff.
    Wer bist du, Baby? Sag mir deinen Namen.
    Aber ihrer Tochter war nicht danach, irgendwelche Geheimnisse preiszugeben; sie war zu sehr damit beschäftigt, sich den Bauch mit Fertigmilch voll zu schlagen.
    Laura?
Laurel? Laurella?
Zu zart, zu niedlich. Dieses Kind war keins von beiden. Das würde ein richtiger Wirbelwind

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