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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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verlieren. Wenn ich dachte, ich könnte es keine Stunde, keine Minute länger ertragen, in diesem Haus eingesperrt zu sein.«
    »Was hast du getan?«
    »Ich habe zum Telefon gegriffen und meine Mutter angerufen.« Angela blickte zu ihr auf. »Ruf mich einfach an, Janie. Dazu bin ich doch da. Gott hat schon gewusst, warum er die Mütter in die Welt gesetzt hat. Ich behaupte ja nicht, dass man gleich ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen.« Sie senkte den Blick auf das Baby in ihrem Arm. »Aber es kann gewiss nicht schaden, eine Oma zu haben.«
    Jane sah zu, wie Angela mit dem Baby schäkerte, und sie dachte: Oh, Mom, ich hätte nie gedacht, dass ich dich noch einmal so sehr brauchen würde. Kommt überhaupt je eine Zeit, wenn wir unsere Mütter nicht mehr brauchen?
    Sie musste mit den Tränen kämpfen und stand abrupt auf, um sich an der Anrichte eine Tasse Kaffee einzuschenken. Dort stand sie und trank das belebende Gebräu, während sie den Rücken durchdrückte und ihre steifen Muskeln streckte. Zum ersten Mal seit drei Tagen fühlte sie sich richtig erholt und war fast schon wieder die Alte. Nur dass jetzt alles ganz anders ist, dachte sie. Jetzt bin ich eine Mutter.
    »Du bist ja so eine Hübsche, nicht wahr, Regina?«
    Jane sah ihre Mutter an. »Wir haben uns eigentlich noch gar nicht für einen Namen entschieden.«
    »Du musst doch wissen, wie du sie nennen willst. Was hast du gegen den Namen deiner Großmutter?«
    »Ich muss sofort ein gutes Gefühl dabei haben, verstehst du? Wenn sie den Rest ihres Lebens damit herumlaufen muss, dann soll sie auch einen Namen bekommen, der zu ihr passt.«
    »Regina ist doch ein schöner Name. Das bedeutet
Königin,
weißt du.«
    »Meinst du, ich will dem Kind Flausen in den Kopf setzen?«
    »Na, und wie willst du sie nun nennen?«
    Jane sah das Namensbuch auf der Anrichte liegen. Sie goss sich noch etwas Kaffee nach und nippte daran, während sie die Seiten umblätterte. Wenn ich mich nicht bald entscheide, dachte sie mit einem Anflug von Verzweiflung, bleibt am Ende doch nur Regina übrig.
    Yolanthe. Yseult. Zerlena.
    Ach, du liebe Zeit. Regina klang allmählich immer besser. Die kleine Königin.
    Sie legte das Buch hin. Nachdem sie es eine Weile stirnrunzelnd betrachtet hatte, nahm sie es wieder zur Hand und schlug es bei M auf. Suchte den Namen, der ihr letzte Nacht ins Auge gesprungen war.
    Mila.
    Wieder spürte sie diesen kalten Hauch im Nacken. Ich weiß, dass ich diesen Namen schon einmal gehört habe, dachte sie. Warum jagt er mir einen solchen Schauer über den Rücken? Ich muss mich erinnern. Es ist wichtig, dass ich mich erinnere …
    Das Klingeln des Telefons ließ sie zusammenfahren. Das Buch fiel ihr aus der Hand und landete mit einem Knall auf dem Boden.
    Angela sah sie stirnrunzelnd an. »Willst du nicht drangehen?«
    Jane atmete einmal tief durch und nahm den Hörer ab. Es war Gabriel.
    »Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«
    »Nein, ich trinke gerade Kaffee mit Mom.«
    »Ist es okay, dass ich sie angerufen habe?«
    Sie blickte sich zu Angela um, die gerade mit dem Baby ins Nebenzimmer ging, um die Windeln zu wechseln. »Du bist ein Genie. Hab ich dir das schon mal gesagt?«
    »Ich glaube, ich sollte Mama Rizzoli öfter mal anrufen.«
    »Ich habe acht Stunden durchgeschlafen. Kaum zu glauben, was das ausmacht. Mein Gehirn scheint endlich wieder zu funktionieren.«
    »Dann kann ich dir das hier ja vielleicht zumuten.«
    »Was?«
    »Moore hat mich heute Morgen angerufen.«
    »Ja, hab schon gehört.«
    »Wir sind jetzt hier im Präsidium. Jane, sie haben einen Treffer in der zentralen IBIS-Datenbank. Eine Patrone mit identischen Schlagbolzenabdrücken. Sie war bei der Schusswaffenbehörde registriert.«
    »Um welche Patrone geht es?«
    »Die aus Olenas Krankenzimmer. Nachdem sie diesen Wachmann erschossen hatte, wurde eine einzelne Patrone am Tatort sichergestellt.«
    »Er wurde mit seiner eigenen Waffe erschossen.«
    »Und wir haben gerade herausgefunden, dass diese Waffe schon einmal benutzt wurde.«
    »Wo? Wann?«
    »Am dritten Januar. Eine Schießerei mit mehreren Todesopfern in Ashburn, Virginia.«
    Sie hielt den Hörer umklammert, hielt ihn so fest an ihr Ohr gepresst, dass sie das Pochen ihres eigenen Pulsschlags hören konnte.
Ashburn. Joe wollte uns von Ashburn erzählen.
    Angela kam in die Küche zurück, im Arm das Baby, dessen schwarze Haare jetzt wuschelig vom Kopf abstanden wie eine Lockenkrone. Regina, die kleine Königin.

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