Schenk mir diese Nacht
Hause."
Es dauerte einen Moment, bis er den Sinn ihrer Worte erfasst hatte. Er sollte sie zu sich nach Hause bringen? Gaye?
"Nein! Vergiss, was ich gesagt habe!" Rasch rückte sie von ihm ab und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. "Ich weiß nicht... Ich wollte nicht..."
"Wer war der Mann, Gaye?" Jonathan zog ihre Hände herunter.
Sie sah ihn an. "Ich ..." Nervös befeuchtete sie die Lippen mit der Zunge. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst." Der kalte Klang war in ihre Stimme zurückgekehrt, der Wunsch, sich vor der Welt zurückzuziehen.
Insbesondere vor Jonathan!
Doch dazu war es nun zu spät. Sie wusste genau, worüber er sprach, sie wollte ihm nur nicht antworten.
"Der Mann im Pub", beharrte er. "Er kannte dich ..."
"Ich..."
"... und du kanntest ihn offenbar auch." Jonathan sah sie unverwandt fest an. Das war nicht leicht, denn in ihren grünen Augen spiegelte sich grenzenloser Schmerz wider. Ein Schmerz, über den sie nicht reden wollte ...
"Er ist unwichtig", behauptete sie.
"Das glaube ich nicht."
"Ich bin nicht für das verantwortlich, was du glaubst, Jonathan", erklärte sie abweisend. "Es war ohnehin ein Fehler, dich heute Abend zu treffen. Ich habe nur eingewilligt, weil du sagtest, du müsstest etwas mit mir besprechen", fuhr sie vorwurfsvoll fort. "Anscheinend war dies jedoch nicht der Fall..."
"Jetzt habe ich ein Thema", unterbrach er sie unerbittlich.
"Und wenn du mir nicht verraten willst, wer dieser Mann ist, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als wieder hineinzugehen und ihn selbst zu fragen." Immerhin hatte diese zufällige Begegnung Gaye bewogen, ihn zu bitten, sie mit sich nach Hause zu nehmen, verdammt noch mal!
Trotzig schüttelte sie den Kopf. "Du hast kein Recht..."
"Du hast mir dieses Recht eingeräumt, als du mich vor wenigen Minuten gebeten hast, mit mir nach Hause kommen zu dürfen", konterte er.
Sie atmete tief durch. "Das war ein Fehler."
"Manche Fehler kann man nicht rückgängig machen." Er war mittlerweile überzeugt, dass der andere Mann bedeutsam war, egal, wie hartnäckig Gaye auch das Gegenteil behauptete.
Sie seufzte resigniert auf. "Warum willst du unbedingt etwas über Richard erfahren?"
"Richard? Ist das sein Name?" Jonathan stutzte. "Zum Teufel, ja, natürlich!" Er schlug ungeduldig auf das Lenkrad. "Ich habe mich schon gewundert, warum er mir so bekannt vorkam. Er ist Richard Craven, nicht wahr? Der Schauspieler."
Richard Craven, der vom Fernsehdarsteller zum
internationalen Filmstar aufgestiegen war, kannte Gaye. Und, was noch wichtiger war, Gaye kannte ihn ...
"Ja", gestand sie zögernd. "Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich zum ersten Mal seit Monaten ausgehe und ausgerechnet ihm begegnen muss!" Sie schauderte.
"Das Leben ist eine Folge von Zufällen." Seine Gedanken kreisten unablässig um die Tatsache, dass Gaye Richard Craven kannte, der - Zeitungsberichten zufolge - demnächst nach Hollywood übersiedeln würde. In Anbetracht der Umstände wünschte Jonathan, der andere Mann wäre bereits abgereist!
"Wie bei uns", warf Gaye leise ein.
"Sehr richtig." Er nickte. "Wie kommt es, dass du Richard Craven kennst?"
Sie lächelte bitter. "Erscheint es dir so unglaublich, dass ich einen solchen Mann kenne?"
"Nein, das nicht."
Es war nur ein Hindernis, mit dem er nicht gerechnet hatte.
Außerdem war er neugierig, wie Gaye und Richard Craven einander begegnet sein mochten, schließlich gingen sie völlig unterschiedlichen Berufen nach. Soweit Jonathan wusste, hatte Richard Craven keine Kinder, daher schied wohl die
Möglichkeit aus, dass er Gaye in der Klinik getroffen haben könnte.
"Richard und ich waren vor zwei Jahren verlobt - wir wollten heiraten."
Jonathan traute seinen Ohren kaum. Gaye Royal und Richard Craven ...? Die scheue Gaye und dieser viel zu gut aussehende Mann, dessen Stern mit rasender Geschwindigkeit aufstieg, waren nicht nur flüchtige Bekannte, sondern waren miteinander verlobt gewesen?
Tausend Fragen schössen Jonathan durch den Kopf, und jede verlangte nach einer Antwort...
5. KAPITEL
Gaye hatte die Augen geschlossen und die Hände im Schoß gefaltet. Sie würde nicht weinen. Nicht schon wieder. Denn das hätte so ausgesehen, als würde sie um Richard weinen. Und das war nicht der Fall. Sie hatte seinen Verrat bereits vor langer Zeit überwunden.
Sie wollte aus einem ganz anderen Grund weinen.
Gleichzeitig fühlte sie sich auf einmal erleichtert und gestärkt. Von nun an würde es ihr leichter fallen,
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