Schenk mir diese Nacht
wundervoll."
"Waren? Ist deine Mutter auch tot?" erkundigte er sich behutsam.
Gaye sah ihn gequält an. Nein, ihre Mutter war nicht tot, doch die Person, die einst Terences Frau und Gayes Mutter gewesen war, existierte nicht mehr ...
"Nein." Sie hatte schon viel zu viel verraten. "Leben deine Eltern noch?" Seine verschlossene Miene zeigte ihr, dass sie mit dem unvermittelten Themenwechsel einen wunden Punkt bei ihm berührt hatte.
.
Warum war alles nur so schrecklich kompliziert. Vielleicht hatte sie deshalb vorhin - obgleich sie diesen Fehler inzwischen zutiefst bereute - Jonathan gebeten, ihn nach Hause begleiten zu können, nicht um zu reden, sondern um einfach zu fühlen. Wie es schien, wurden die Dinge durch viele Worte nur noch verworrener ...
Als Gaye noch ein Kind gewesen war, hatte sie geglaubt, die Welt wäre voller Sonnenschein, und ihre Eltern würden den Mittelpunkt dieses goldenen Universums bilden. Gewiss, es hatte die üblichen Höhen und Tiefen der Pubertät gegeben, und es hatte sie einige Mühe gekostet, ihren Vater von der Richtigkeit ihrer Berufswahl zu überzeugen. Doch nachdem sie die Schwesternausbildung absolviert und sich auf Geburtshilfe spezialisiert hatte, war er sehr stolz auf sie gewesen. Er hatte sie wegen ihrer Kinderliebe geneckt und darauf vertraut, dass es nicht allzu lange dauern würde, bis sie ihm Enkel schenkte. Wie die meisten Väter war er allerdings der Ansicht gewesen, ihr künftiger Ehemann wäre nicht gut genug für sie - und er hatte Recht behalten, was Richard betraf!
"Ja", beantwortete Jonathan Gayes Frage nach einer kleinen Ewigkeit. "Sie sind geschieden. Mein Vater lebt in Australien.
Ich habe keine Ahnung, wo meine Mutter ist." Der kalte, verbitterte Unterton in seiner Stimme enthüllte mehr als die Worte selbst.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah Gaye einen tiefen Schmerz in seinen Augen, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Hinter dem unbekümmerten Charmeur verbarg sich ein weitaus vielschichtigerer Charakter, als er zugeben wollte, das erkannte sie nun.
"Jonathan ..." Sie verstummte, als die Tür zum Pub geöffnet wurde und eine Gruppe lärmender Menschen herausströmte, darunter auch Richard, wie Gaye leidenschaftslos feststellte.
Richard hatte den Arm lässig um die Schultern einer großen Rothaarigen gelegt. Mit der gleichen besitzergreifenden Geste hatte er einst Gaye an sich gezogen ...
Inzwischen jedoch konnte sie ihn völlig ungerührt
beobachten. Sie hatte ihn einmal so sehr geliebt, dass sie für alle Warnungen ihrer liebenden Eltern taub gewesen war. Aber wenn sie ihn nun betrachtete, sah sie lediglich einen beinahe zu schönen Mann, dessen ausschweifender Lebenswandel bereits die ersten Spuren um Mund und Augen hinterlassen hatte, sie sah einen Mann, der sie und die Beziehungen ihrer Familie benutzt hatte, bis sie ihm nicht mehr weiterhelfen konnten.
Gaye wandte sich ab und bemerkte, dass Jonathan sie
forschend betrachtete. Sie lächelte. "Ist es nicht sonderbar, dass man manchmal zurückblickt und im Nachhinein dankbar ist, weil man vor einem schlimmen Schicksal bewahrt wurde?
Beispielsweise vor einer Ehe mit Richard. Er hat übrigens vor einem Jahr geheiratet." Sie erinnerte sich noch genau, wie verstört sie auf die Bilder in den Zeitungen reagiert hatte, die ihn mit seiner strahlenden Braut zeigten. "Die Rothaarige ist bestimmt nicht seine Frau", fügte sie angewidert hinzu.
Die Ehe hatte Richard nicht im Mindesten geändert. Für ihn würde es immer an der nächsten Ecke eine noch schönere, noch verführerischere Frau geben! Gaye bezweifelte, dass er jemals aufhören würde, nach neuen Eroberungen Ausschau zu halten.
Neben ihr lachte Jonathan leise. "Du bist wirklich über ihn hinweg,' oder?" fragte er zufrieden.
Das war sie. Allerdings machte Jonathans unverhohlene Freude über diese Tatsache sie stutzig. Ihr Leben war auch ohne ihn kompliziert genug. Außerdem hatte er selbst erwähnt, dass die Sensationsreporter ihm auf Schritt und Tritt folgten - und Publicity wollte sie auf gar keinen Fall.
"Ich bin über Männer im Allgemeinen hinweg", erklärte sie nachdrücklich.
Ihre Blicke trafen sich. "Falls diese Bemerkung darauf abzielen sollte, mich abzuschrecken ..."
"Sie zielt auf gar nichts ab", unterbrach sie ihn kühl. "Ich habe lediglich eine Tatsache festgestellt."
"Und nach dem, was zwischen uns vorhin passiert ist, soll ich dir das glauben?" protestierte er. "Du bist schön, Gaye. Sehr warmherzig und sinnlich -
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