Schenk mir diese Nacht
beide eine kleine Meinungsverschiedenheit hattet, aber Richard scheint es aufrichtig zu bedauern. Ich dachte, du würdest nichts dagegen haben, wenn ich ihm sage, wohin du wolltest. Allerdings hatte ich keine Ahnung, dass du mit Jonathan zusammen warst." Sie schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. "Hoffentlich habe ich euch nicht in Verlegenheit gebracht."
"Mich bestimmt nicht", beteuerte Jonathan rasch. Die Bemerkung über die "kleine Meinungsverschiedenheit" hatte ihn völlig überrumpelt. Den eigenen Verlobten mit einer anderen im Bett anzutreffen war seiner Meinung nach ein Grund für heftige Verbalattacken!
"Mich auch nicht", entgegnete Gaye sanft. "Hat Richard sonst noch etwas gesagt?"
"Er erwähnte ein Textbuch, das ich mir einmal anschauen sollte", verkündete ihre Mutter fröhlich. "Irgendein Stück, bei dem er Regie führen will."
Gaye zuckte zusammen. "Das ist mir neu. Er sagte doch immer, Regiearbeit sei ein undankbarer Job."
"Das ist es auch, Liebes", bestätigte Marilyn nachdrücklich.
"Dem Vater hat nur ein einziges Mal Regie geführt und danach geschworen, es nie wieder zu tun. Wofür ich äußerst dankbar bin", fügte sie mit einem strahlenden Lächeln hinzu. "Das Zusammenleben mit ihm war wochenlang nahezu unmöglich."
"Was hast du auf Richards Vorschlag geantwortet, Mummy?"
drängte Gaye behutsam.
"Du weißt, dass ich niemals eine Rolle annehme, mit der dein Vater nicht einverstanden ist, Schätzchen", erwiderte ihre Mutter vorwurfsvoll. "Natürlich habe ich Richard gesagt, dass ich zuerst mit deinem Vater sprechen müsse."
Beinahe hätte Jonathan sich an seinem Kaffee verschluckt.
Mit Gayes Vater sprechen? Mit Terence Royal?
Prüfend schaute er Marilyn Palmer an. Erst jetzt bemerkte er die Leere in ihren wunderschönen blauen Augen. Hinter ihrer zeitlosen Schönheit und dem bezaubernden Charme verbarg sich nur oberflächliche Heiterkeit. Auch wenn er sich als Heranwachsender eine Mutter wie sie gewünscht hatte, so war ihm doch klar gewesen, dass niemand ständig lächeln und glücklich sein konnte.
Das also hatte Gaye gemeint, als sie sagte, ihre Mutter habe sich seit Terence Royals Tod verändert: Für Marilyn war ihr Mann nicht tot!
Gaye mied sorgsam Jonathans Blick. "Ich werde selbst mit Richard reden", erklärte sie.
Den Teufel würde sie tun! Ihre Mutter mochte sich zwar vor zwei Jahren gegen den Schmerz und die plötzliche Leere abgeschottet haben, doch Gaye und er wussten über Richard Cravens Treulosigkeit und seine spätere Hochzeit Bescheid.
Jonathan hatte nicht die Absicht, Gaye jemals wieder in die Nähe dieses Mannes zu lassen.
Wie, um alles in der Welt, war sie in den vergangenen zwei Jahren mit all dem fertig geworden?
Kein Wunder, dass sie ihn vor einer Stunde gebeten hatte, sie mit nach Hause zu nehmen. Hätte er diese Bürde tragen müssen, wäre er auch froh gewesen, der Verantwortung für einige Stunden zu entrinnen. Aber nun war Gaye nicht mehr allein. Ob es ihr nun gefiel oder nicht - er war in ihr Leben getreten. Und er hatte nicht vor, in absehbarer Zukunft daraus wieder zu verschwinden.
"Wir werden beide mit Richard reden", warf er nachdrücklich ein und hielt Gayes wütendem Blick seelenruhig stand.
Marilyn sah ihn einen Moment lang verwirrt an, dann schien sie die Frage, warum Jonathan bei Gaye war, wieder zu verdrängen. Offenbar hatte sie in den letzten beiden Jahren viele Dinge verdrängt, die ihr labiles seelisches Gleichgewicht bedroht hatten - nicht zuletzt die Tatsache, dass ihr Ehemann, der Mann, den sie vergöttert hatte, tot war. Jonathan hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ihr das gelungen war, es bedurfte wohl eines Experten, um dafür eine Erklärung zu finden. Und Jonathan hatte vor, so bald wie möglich einen Fachmann zu konsultieren!
"Das wird geregelt", versicherte Gaye ihrer Mutter geheimnisvoll.
Zumindest klang es vermutlich für Marilyn geheimnisvoll, aber für Jonathan war die Bedeutung klar: Gaye hatte nicht vor, ihn noch weiter in die Sache hineinzuziehen, geschweige denn, sich von ihm zu der Unterredung mit Richard Craven begleiten zu lassen.
"Wunderbar." Marilyn erhob sich anmutig. "Ich lasse euch beide jetzt allein, damit ihr in Ruhe euren Kaffee trinken könnt."
Sie stellte ihre leere Tasse zurück auf das Tablett. "Es war schön, Sie kennen zu lernen, Jonathan. Bitte, besuchen Sie uns wieder."
Er nickte. "Das werde ich." Es war ein Versprechen, keine leere Floskel.
"Ich freue mich schon darauf", erwiderte
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