Schenk mir mehr als diese Nacht
Sebastian eine gewisse Befriedigung verschaffte. Warum, wusste er allerdings auch nicht.
„Ich stehe immer so früh auf, um zu meditieren und meine Yogaübungen zu machen“, erklärte sie ruhig. „Fühlst du dich dadurch gestört?“
Er schüttelte den Kopf und versuchte das Bild zu ignorieren, das sich ihm aufdrängte: Aneesa, wie sie ihren geschmeidigen Körper reckte und dehnte …
Mit ungelenken Bewegungen enterte er die Küche und ging zur Kaffeemaschine, um frische Bohnen zu mahlen.
„Bist du sicher? Irgendwie wirkst du ein wenig gereizt.“
„Ganz sicher“, gab er fast grob zurück. „Ich bin es nur nicht gewohnt, meine Wohnung mit jemandem zu teilen, das ist alles. Hast du hier etwas gesucht?“
Jetzt schüttelte Aneesa den Kopf. „Nein, ich habe mir nur gerade einen Kräutertee aufgebrüht, den Daniel gestern extra für mich besorgt hat.“
Mit einem Seitenblick registrierte er, dass sie tatsächlich einen dampfenden Becher in der Hand hielt und daran nippte.
„Hattest du gestern einen netten Abend?“, fragte Aneesa in unverfänglichem Ton, was ihm zu allem Überfluss auch noch Schweißperlen auf der Oberlippe bescherte.
Nein! hätte er sie am liebsten angeherrscht, zwang sich aber zur Ruhe. „Sehr nett, danke der Nachfrage … gutes Essen, amüsante Gesellschaft.“ Was hätte er auch sonst sagen sollen? Gereizt füllte Sebastian sich einen extragroßen Kaffeebecher ein, brummte irgendetwas von Duschen und verließ fluchtartig die eigene Küche.
Mit traurigem Blick sah Aneesa ihm hinterher und stellte ihren Tee auf den Tresen. Kaum war Sebastian außer Sicht, verließ sie jeder Funke Energie. Schützend legte sie eine Hand auf den noch flachen Leib und die andere auf ihr wild klopfendes Herz und zwang sich, gleichmäßig und ruhig zu atmen.
Ob die heftige körperliche Reaktion, die sie jedes Mal in seiner Gegenwart überfiel, schädlich für das Baby sein konnte? Aber wie sollte sie das verhindern? Wenn er nur nicht so umwerfend attraktiv und sexy wäre, selbst in seinen Joggingsachen!
Hätte Daniel sie gestern Abend nicht mit seinem Geplauder abgelenkt, wäre es ihr sicher nicht gelungen, vorgespielte Lässigkeit zu demonstrieren, als Sebastian im dunklen Abendanzug zu seinem geheimnisvollen Date aufgebrochen war. Sein teures Aftershave hatte ihren zitternden Verdacht bestätigt, dass es sich bei seiner Verabredung hundertprozentig um eine Frau handeln musste.
Und trotzdem galt weiterhin: Das ging sie nichts an!
Dass ihre Anwesenheit ihn nicht begeisterte, Baby hin oder her, konnte man kaum übersehen. Dennoch hockte sie hier in seinem Apartment und ging ihm spürbar auf die Nerven. Eine Welle aus Heimweh und Einsamkeit überschwemmte Aneesa wie eine heiße Woge. Mit einem unterdrückten Schluchzer hastete sie in ihr Schlafzimmer, bevor Sebastian sie in diesem elenden Zustand sah.
Nachdem er seinen riesigen Wohnraum nun seit einer Stunde mit langen Schritten durchquerte, blickte Sebastian zum x-ten Mal ungeduldig auf die Uhr.
Wo ist sie, verdammt noch mal? Er musste dringend mit ihr sprechen, bevor er zur Arbeit aufbrach, und immer noch war nichts von ihr zu sehen. Schließlich marschierte er zu ihrem Zimmer und klopfte leise. Da er keine Antwort bekam, öffnete er die Tür und sah Aneesa im Lotossitz mitten auf dem hellen Teppich thronen, mit geschlossenen Augen und kerzengeradem Rücken. Die nach oben gerichteten Handflächen ruhten offen auf den Schenkeln. Sie wirkte so entrückt und friedvoll, dass er sich wie ein rüder Eindringling vorkam und versuchte, lautlos den Rückzug anzutreten. Doch da öffnete sie die Augen und erhob sich in einer fließenden Bewegung voller Anmut vom Boden.
„Ja bitte?“
„Was, zum Teufel, tust du da?“ Die Worte klangen so plump und grob, dass Sebastian sich innerlich krümmte. Verdammt! Wo ist mein legendärer, kühler Charme geblieben, den Frauen sonst so unwiderstehlich finden? Von dieser hier erntete er jedenfalls nur ein Stirnrunzeln.
„Wie meinst du das?“
„Ich will damit nur sagen, dass du hoffentlich nicht mit der Vorstellung hergekommen bist, zukünftig auf häusliche Intimität zu spekulieren, nur weil du ein Kind von mir erwartest. Das ist nämlich kein Szenario, an dem ich auch nur im Mindesten interessiert bin.“
Auf den ersten Schock über die kalte Dusche folgte eine heiße Wut, die unaufhaltsam in Aneesa brodelte. Langsam hatte sie das Wechselbad von Sebastians unausgegorenen Gefühlen satt. „Du hast also Angst
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