Schenkel, Andrea M
ausgestreckt, unter mir kalter Betonboden. Modriger Kellergeruch. Ich fühle mich elend. Meine Arme und Beine sind zerkratzt. Die Schürfwunden brennen. Mein Kopf schmerzt. Er hat mich an den Haaren die Treppe herunter in den Keller geschleift. Jede Haarwurzel tut weh. Mein Mund ist trocken, die Zunge fühlt sich dick und geschwollen an, zähflüssiger Speichel verklebt meinen Mund. Ich brauche etwas zu trinken. Schwerfällig rapple ich mich auf. Sehe mich um. Eine Petroleumlampe hängt an dem Haken neben der Eisentür, bringt etwas Licht ins Dunkel. Ich rüttle an der Türklinke, die Tür lässt sich nicht öffnen. Vielleicht gibt es noch einen anderen Ausgang? Ich nehme die Lampe vom Haken, sehe mich weiter um. Ein lang gestrecktes Kellerverlies. Mit zwei weiteren ineinander übergehenden Räumen. Im letzten Raum steht ein altes Eisengitterbett. Das ist alles. Kein weiterer Ausgang, kein Fenster. Ich setze mich auf das Bett, starre vor mich hin. Diesmal hat er mich nicht ins Bett gelegt, ausgezogen und zugedeckt. Der lässt dich hier verrecken. Das Schwein lässt dich hier verrecken! Der Gedanke macht mich so wütend, ich springe auf, nehme die Lampe, laufe vor zur Eisentür.
Ich hämmere mit der Faust an die Tür. Bis die Knöchel schmerzen, schlage weiter mit der flachen Hand. »Du Schwein! Lass mich hier raus! Ich will raus! Hörst du! Mach auf!«
Ich fange an zu heulen, Rotz und Tränen laufen über mein Gesicht. Ich lasse mich an der Tür zu Boden gleiten, bleibe auf dem Beton sitzen und heule weiter. Ich heule vor Wut, ich heule vor Schmerz. Die ganzen letzten Tage hatte ich versucht mich zusammenzureißen, mich nicht gehen zu lassen, und nun platzt es aus mir heraus. Ich kann nicht aufhören zu weinen.
Erst nach ein paar Minuten werde ich ruhiger. Meine Gedanken sind plötzlich seltsam klar. Wie komme ich hier raus? Er wollte doch den Schlüssel. Damit hat alles angefangen. Er wollte Geld, den Schlüssel zum Tresor. Das ist es, damit muss ich ihn ködern. Mit Geld vergisst er die Vergangenheit, vergisst, dass er sich an mir rächen will. Es wundert mich, dass er sich mit seinem Spatzenhirn überhaupt so lange zurückerinnern kann.
Gut, also, versuch dein Glück. Es muss noch eine Chance für mich geben. Vielleicht meine letzte.
Wie packe ich es an? Bis jetzt habe ich immer nur aus dem Bauch heraus gehandelt, immer nur reagiert. Und jedes Mal saß ich tiefer in der Scheiße. Ich brauche einen Plan, eine Strategie. Klingt gut, bloß, was mach ich jetzt?
Punkt 1: Er darf nicht wissen, dass ich weiß, wer er ist. Also keine Rede über die Vergangenheit, nichts über Joachim.
Punkt 2: Der Typ ist aggressiv, unter allen Umständen vermeiden, dass er wieder gewalttätig wird.
Punkt 3: Er hatte schon immer ein Problem mit Frauen. Ist total verklemmt, und dann noch die ganze Zeit im Knast oder in der Klapsmühle, da muss einer ja verklemmt sein. Also was tun? Ihn anmachen, seine Unsicherheit gegenüber Frauen ausnutzen!
Ich wische mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und stehe auf.
»Hallo!«, ich klopfe zaghaft mit dem Finger gegen die Tür. Sei liebenswürdig und freundlich. Ich warte, lege mein Ohr an die Tür, es passiert nichts. War bestimmt zu leise, da ist ja noch die Treppe, und wer weiß, wo er steckt. Ich klopfe mit der Faust an die Tür. »Hallo! Mach auf, bitte!«
Es rührt sich nichts. Vermutlich immer noch zu leise, er ist sicherlich draußen. Ich hämmere mit beiden Fäusten gegen die Tür. »Hallo! Mach jetzt auf! Verdammt, du blödes Arschloch, wenn du nicht gleich aufmachst!« Ich trete mit dem Fuß dagegen. Mach nur so weiter! Mensch, ich bin so blöd! Du darfst ihn nicht mehr provozieren! Machst genau das Gegenteil von deinem Plan.
Also auf ein Neues. Nur verhalten gegen die Tür klopfen, warten, lauschen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, Schritte zu hören.
Ich klopfe wieder gegen die Tür. »Hallo, Hans, ich möchte hier raus. Du willst doch den Schlüssel zum Tresor, ich weiß, wie wir an den Schlüssel kommen. Ich kann dir helfen, aber nur, wenn du mich rauslässt. Hier drinnen nütze ich dir gar nichts, absolut gar nichts. Im Tresor vom Chef, da liegt Geld, viel Geld. Ich weiß, wie wir an den Schlüssel kommen. Ohne mich kommst du da nicht ran, du brauchst mich! Wir arbeiten zusammen!«
Kein Laut. »Hallo, hast du verstanden, was ich dir gesagt habe? Wir arbeiten zusammen, ich helfe dir. Du lässt mich hier raus, und ich helfe dir.« Stille. Habe ich
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