Schenkel, Andrea M
bekommen es nicht auf die Reihe. War im Knast auch so. Immer wieder ist einer total durchgedreht.
Er steht vor mir mit dem Spieß in der Hand. Ich höre nur noch das Pochen und Dröhnen in meinen Ohren. Ich sehe auf den Spieß, will nicht hinschauen, kann aber auch nicht wegsehen. Im flackernden Licht sehe ich Arme. Da sind Arme und Beine!
In Panik stürze ich nach vorn, an den Rand des Feuers. Greife mit beiden Händen nach einem der glühenden Holzscheite.
Ich sehe, wie der Kerl mich überrascht anstarrt! Die Augen weit aufgerissen, der Mund offen. Er lässt Flasche und Spieß fallen, reißt beide Arme hoch, hält sie schützend vors Gesicht. Ich schlage mit dem Holz immer wieder auf seinen Kopf ein. Überall Glut, Funken springen in alle Richtungen. Glühende Holzstückchen fressen kleine Kreise in sein kurzes Haar. Rauchfähnchen steigen auf. Es stinkt nach verbranntem Haar. Er nimmt die Arme herunter und starrt mich an. Ich stehe vor ihm, das Holzscheit immer noch in den Händen. Sehe seinen entsetzten Blick, schaue auf meine Hände. Alles schwarz, total schwarz. Jetzt spüre ich den Schmerz, die Hände lassen sich nicht vom Holz lösen. Um mich herum wieder die Zuschauerwand. Sie rückt lautlos näher. Die Zuschauer stehen dicht gedrängt ums Feuer, alle mit ernster Miene.
Sie ist neben dem Feuer zusammengebrochen, das Holzscheit noch immer in den Händen. Mein Gott! Schockzustand. Kein Wunder, die Hände sehen verkohlt aus, kleben am glühenden Holz. Das muss ab! Die Hände müssen ins kalte Wasser. In meiner Sani-Ausbildung beim Bund habe ich das gelernt. Unser Ausbilder hielt uns eine Büchse mit Erbsen vor die Nase, schüttelte sie kräftig hin und her und faselte etwas von einer Molekularbewegung, die man stoppen muss, mit viel kaltem Wasser. Okay, Wasser! Der Eimer steht neben der Treppe. Ich hole ihn, laufe zur Regentonne und fülle ihn mit kaltem Wasser.
Ich komme mit dem vollen Kübel zurück, sie kniet neben dem Feuer, hebt und senkt den Klotz aus Armen und Holzscheit und spricht wirres Zeugs. Die tickt doch nicht richtig. Auf was hab ich mich da eingelassen. Bestimmt rastet sie gleich wieder aus. Schnaps! Sie braucht Alkohol, zum Schmerzlindern, zum Betäuben und um die Kohle von ihren Händen zu lösen. Gut, eines nach dem anderen. Zuerst die Glut löschen. Ich lasse das Wasser zwischen ihre Hände laufen, es zischt und raucht. Sie nimmt das gar nicht wahr, hockt da und faselt vor sich hin. Ich bin trotzdem vorsichtig, die ist gewalttätig. Wodka, ich halte ihr meine Flasche an die Lippen, sie trinkt in großen, gierigen Schlucken.
Ich weiß nicht, ist es der Schock, der Schnaps oder ist sie jetzt ganz durchgedreht. Sie lächelt, sitzt da und grinst irr vor sich hin, während ich mit Hilfe des Alkohols die Holzkohle von ihrer Haut löse. Oder besser gesagt, das Holz mitsamt der Haut vom Fleisch ablöse. Kein schöner Anblick. Wie beim Häuten des Hasen. Bloß war der tot.
Schnell den Verbandskasten aus dem Auto holen. Hoffentlich bleibt die blöde Kuh sitzen und stellt nicht wieder was an, aber so besoffen, wie die ist … die kann sich eh nicht mehr von der Stelle rühren. Im Kasten ist sogar ein Brandwundenverbandpäckchen, wer hätte das gedacht? Gut, noch eine Polsterung aus Schleifwatte, die hole ich aus der Mühle, dann noch eine Schicht normaler Verband. Jetzt trägt sie Boxhandschuhe, allerdings weiße. Passen zu ihr, und ich fühl mich sicherer.
Die völlig entkleidete Person wird vorsichtig auf die Operationsliege gehoben. Beatmungsschlauch, Blutdruckmessgerät und Venenverweilkanülen durch den Anästhesisten überprüft. Beine und Arme werden mit ledernen Bändern am Operationstisch fixiert. Der metallene Rahmen zum Befestigen des grünen Operationstuches wird an die Operationsliege geschraubt. Das Tuch in Halshöhe über den Rahmen gespannt. Für den Operateur ist nur noch der Körper sichtbar.
Der Tupfer wird in einer Fasszange fixiert. Das Bauchareal dreimal mit dem mit einer alkoholischen Lösung getränkten Tupfer abgewischt. Die braunrötliche Flüssigkeit bildet eine spiegelnde Pfütze im Nabel. Sie rinnt über den Bauch und tropft von beiden Seiten des Körpers auf die Unterlage des OP-Tisches.
Zwei glatte, parallel verlaufende, durch das Desinfektionsmittel dunkel verfärbte Striche auf der Haut sind alles, was von der gesäuberten Bauchverletzung noch zu sehen ist.
Mein Kopf tut fürchterlich weh. Der Schmerz sitzt vorne in der Stirn und zieht sich nach beiden
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